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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman
Autoren: Andreas Franz
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Kommissarin wartete im Wohnzimmer, das Hausmädchen bot ihr einen Kaffee an, den sie dankend annahm. Während sie wartete, rauchte sie eine Zigarette, studierte das Bücherregal. Sheila, die jüngste Tochter von Tomlin, kam die Treppe herunter, sagte leise: »Guten Morgen«, blieb aber in der Tür stehen, Julia Durant mißtrauisch und aus angemessener Distanz taxierend. Die Kommissarin ging auf das Mädchen zu, reichte ihr die Hand. Sheila war sehr hübsch, hatte ausgesprochen feine Gesichtszüge, eine harmonische Mischung aus Mutter und Vater. Sie war durchschnittlich groß für ihr Alter und schlank. Trug ein verspieltes, in zarten Blau- und Weißtönen gehaltenes Laura-Ashley-Kleid, einen hellblauen Haarreif im blonden Haar und silberne Ohrstecker. »Du mußt Sheila sein, hab ich recht?« fragte Julia Durant lächelnd.
»Stimmt«, sagte Sheila sichtlich erfreut, daß die Besucherin ihren Namen kannte, »und du?« »Ich bin Kommissarin Durant von der Polizei. Du kannst mich aber Julia nennen...«
»Willst du jemanden verhaften?« fragte Sheila ernst. »Keine Angst, ich bin nicht gekommen, um irgendeinen von euch zu verhaften. Ich habe nur ein paar Fragen an deine Mutter.« »Mutti schläft aber noch.«
»Ich denke, sie wird gleich runterkommen. Deine Geschwister sind schon in der Schule?« »Hmh, ich hab erst um halb elf. Was'n Glück«, seufzte sie theatralisch, »dafür muß ich auch bis Viertel nach eins bleiben. Willst du mein Zimmer sehen? Bis Mutti kommt, das dauert bestimmt eine Weile.«
Sie liefen über den weiten, kreisförmigen Flur, in dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen stand, aus dem sanfte Fontänen gestoßen wurden. Und überall Benjamini, Yuccapalmen und andere Pflanzen, deren Namen die Kommissarin nicht kannte. Sheila machte eine Tür auf, führte sie in ein großes, helles, halbrundes Zimmer, das, wie es aussah, ausschließlich nach Sheilas Geschmack eingerichtet war. Sheila zeigte Julia Durant ihre Barbiepuppensammlung - besonders stolz war sie auf ihre Diamant-Barbie -, sie hatte ein erstaunlich gutsortiertes Bücherregal, Durant fragte, ob Sheila denn alle Bücher schon gelesen hätte, worauf sie nur den Mund verzog, die Hände in die Hüften stemmte und meinte, das meiste wären Bücher, die ihre älteren Geschwister bei ihr abgestellt hätten, außerdem wäre sie erst sieben Jahre alt. Dann führte sie die Kommissarin zum Schreibtisch, auf dem links ein paar Schulbücher und rechts ein Stapel selbstgemalter Bilder übereinander lagen. Julia Durant nahm das oberste Bild in die Hand, betrachtete es, ein großes Haus, ein reife Früchte tragender Baum, ein kleiner Fluß, der sich am Haus entlang schlängelte, eine Familie, die freundlich winkte. Ein hübsches, sehr farbenfrohes Bild, doch nicht außergewöhnlich für eine Siebenjährige. Durant legte das Bild auf die Seite und wollte sich gerade abwenden, als ihr Blick auf das nächste Bild fiel. Es zeigte zwei Bäume, Vögel am Himmel, eine Wiese und - Julia Durant erstarrte. Ihr Herz begann zu rasen, ihr Mund trocken zu werden, sie hatte das Gefühl, als wollten ihre Sinne ihr einen Streich spielen, es war, als stünde sie auf einem Karussell, das sich immer schneller drehte, sie ahn te, sie wußte, was das, was sie sah, bedeutete! Mitten auf der Wiese stand eine Frau. Die Frau hatte lange, blonde Zöpfe, vielleicht sollten es aber auch Rattenschwänze darstellen, in die rote Schleifchen gebunden waren. Julia Durant sah auf einmal die ermordeten Mädchen vor sich, das blonde Haar, die Zöpfe, die roten Schleifchen. Sie holte tief Luft und stieß sie kräftig wieder aus. Sheila sah sie von unten herauf an, die Stirn ein klein wenig in Falten gezogen, deutete auf das Bild und fragte: »Gefällt es dir?« Die Kommissarin nickte, versuchte, so normal wie möglich zu wirken, sich nichts anmerken zu lassen, und sagte mit trockener Stimme: »Es ist toll. Was ist das?« »Och, das soll bloß meine Großmutter sein! Sie hat mir gestern ihr Fotoalbum gezeigt, und da habe ich auch dieses Bild gesehen und habe es einfach nachgemalt. Du bist die erste, die es sehen darf«, sagte sie stolz. »Es ist ein wunderschönes Bild.« Julia Durant drehte sich um und vergewisserte sich, daß niemand ihre nächsten Worte hörte. Sie beugte sich nach unten, faßte Sheila ganz leicht bei der Schulter, sagte sanft, aber ernst: »Hör zu, ich finde dieses Bild sogar ausgesprochen schön. Darf ich es mitnehmen und meinen Kollegen im Präsidium zeigen? Ich verspreche
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