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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman
Autoren: Andreas Franz
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schön. Aber der Tag würde kommen, an dem er es verkaufte. Er würde es spätestens tun, wenn Andrea auszog. Das Haus war abbezahlt, beim derzeitigen Markt würde er leicht eine halbe Million dafür bekommen, wenn nicht sogar mehr. Vielleicht, dachte er, während er das Glas erneut vollschenkte, vielleicht sollte ich es mal schätzen lassen. Zweihundert Quadratmeter Wohnfläche, Hobbykeller, Waschküche, vierhundert Quadratmeter Garten. Es war bestimmt sogar mehr als eine halbe Million wert. Dazu beste Lage, Geschäfte gleich um die Ecke, Blick auf den Main. Er beschloß, schon am Wochenende einen Makler kommen zu lassen, um das Haus zu schätzen. Das Geld aus dem Hausverkauf, die Versicherung, die in einem Jahr fällig wurde, der schon ganz ordentliche Pensionsanspruch, er könnte sich zur Ruhe setzen, ein völlig neues Leben beginnen.
Berger war auf einmal bester Stimmung. Er stand auf und ging hinaus in den Garten. Die Luft war mild, ein leichter Wind strich durch die Koniferen und die Birke. Der Gedanke hatte sich in ihm festgefressen. Er würde ihn wei terdenken. Und er würde mit Andrea darüber sprechen. Es war lange her, daß er ein konkretes Ziel vor Augen hatte. Zwei Jahre, um genau zu sein.

Donnerstag, 30. September, 8.00 Uhr
    Julia Durant war die Nacht über bei Susanne Tomlin geblieben, hatte nur kurz bei Berger Bescheid gesagt, wo sie zu erreichen war. Tomlins Mutter, die den Nachmittag mit Sheila im Zoo verbracht hatte, war um sieben heimgekommen. Die Kommissarin sprach mit ihr über Daniel, doch außer zu Schlitzen verengten Augen und einem leichten Zucken um die Mundwinkel zeigte die alte Frau keine Gefühlsregung. »Ich werde den besten Anwalt Deutschlands für Daniel engagieren. Er ist mein Sohn und hat somit den besten Anwalt verdient.« Das war alles, sie machte kehrt, ging in ihr Zimmer.
Julia Durant und Susanne Tomlin hatten im selben Bett geschlafen, am Abend, nach einem ausgiebigen Abendbrot Wein und Sekt getrunken, hatten sich über vieles unterhalten, nur nicht über Daniel Tomlin. Tabu.
Als Durant das Haus verließ, schlief Susanne noch. Berger war im Büro, wirkte geradezu aufgekratzt, Kullmer und Schneider, der Psychologe, waren auch da. Der von Tomlins Mutter beauftragte Anwalt war anwesend, um mit Tomlin zu sprechen, doch Tomlin wollte ihn noch nicht sehen.
Als Tomlin ins Büro geführt wurde, erschrak Julia Durant bei seinem Anblick. Herein kam ein über Nacht alt gewordener Mann, der fast nichts mehr gemein hatte mit dem 250 strahlenden, jungenhaften Menschen, den sie auf der Party bei Menzel kennengelernt hatte. Sein Blick war finster, seine Bewegungen fahrig. Eine halbe Stunde lang schwieg er auf alle Fragen. Schließlich flüsterte die Kommissarin Berger etwas ins Ohr, kurz darauf gab dieser Kullmer und Schneider ein Zeichen, sie folgten ihm wortlos in den Nebenraum, von wo aus sie die Befragung über Video verfolgten. Julia Durant zog sich einen Stuhl heran, setzte sich Tomlin gegenüber, zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich zurück. Sie wollte seine Mimik und seine Gestik studieren, doch Tomlin saß regungslos wie ein Stein vor ihr. »Bitte, Dr. Tomlin, beschreiben Sie mir Ihre Gefühle, die Sie jetzt im Moment haben.«
Er sah sie mit unergründlichem Blick an, sagte flüsternd, es klang wie das leise Zischen einer verendenden Schlange, und tief resigniert: »Gefühle? Mein Gott, was sind Gefühle?«
»Liebe, Zuneigung, Haß?« Sie registrierte jede Reaktion in seinem Gesicht, wollte sehen, ob seine Augen oder sein Mund oder seine Hände verrieten, was in ihm vorging. Sie bildete sich ein, daß seine braune Haut grau geworden war. Noch vor kurzem hatte sie von ihm geträumt, sich vorgestellt, wie es wäre, mit einem Mann wie ihm zusammenzusein. Und jetzt? Enttäuschung hat viele Gesichter, sie hatte jetzt nur ein neues kennengelernt. Endlose Minuten vergingen, bis Tomlin ihre Frage beantwortete, die Fäuste dabei ballte und wie unter entsetzlichen Qualen flüsternd hervorstieß: »Sie sind Huren! Elende, gottverdammte Huren!« »Wer sind Huren?« »Blonde sind Huren. Sie sind alle Huren, diese blonden jungen Dinger. Verkaufen sich und ihre Seele an den Teufel! Büches, goddamn' buchest« »Nicht alle Blonden sind Huren. Und nicht alle Huren sind blond. Es gibt auch schwarzhaarige, brünette, rothaarige Huren...«
»Die Blonden sind es mit dem Herzen«, sagte er mechanisch, starrte weiter ins Leere. Machte eine Pause, sagte: »Ich möchte bitte in meine Zelle
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