Jung, blond, tot: Roman
Schubert holte ihr Scheckheft heraus, trug die übliche Summe ein. Sie erhob sich, bedankte sich, reichte Patanec die Hand.
»Kennen Sie >La Traviata Heute abend ist Premiere, ich werde mit meinem Mann und meinem Sohn hingehen. Ich freue mich schon darauf.«
»Eine wunderbare Oper«, sagte Patanec. »Ich erinnere mich, sie einmal mit meiner Mutter gesehen zu haben. Sie hat geweint, und ich habe geweint, weil meine Mutter weinte. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.« »Den werden wir haben. Ich habe versucht, Annette zu überreden, doch mitzukommen, aber sie will früh schlafen gehen, damit sie morgen auch wirklich ausgeruht ist. Na ja, irgendwie kann ich sie verstehen.« »Grüßen Sie Ihren Mann von mir, ich habe ihn lange nicht gesehen.«
»Ich auch nicht. Er ist erst gestern von einer vierwöchigen Tournee nach Hause gekommen. Und jetzt gehen wir heute abend in die Oper, danach eine Kleinigkeit essen und dann getrennt zu Bett. Er schläft in letzter Zeit lieber mit anderen.« »Das tut mir leid...«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun. Im Augenblick hat er eine kleine, billige Schlampe mit riesigen Titten und einem breiten Arsch. Wenn es stimmt, was man mir berichtet hat, dann hat sie sich in den letzten vier Wochen jeden Tag von ihm durchvögeln lassen. Na ja, so rächt sich alles im Leben irgendwann. Habe ich recht?« »Was meinen Sie damit, daß sich irgendwann alles im Leben rächt?«
»Unwichtig, nur so dahingeredet.« »Waren Sie deshalb betrunken, als Sie zu mir kamen?« »Kann sein. Jetzt bin ich es jedenfalls nicht. Sie können mich übrigens immer noch haben, wenn Sie wollen«, sagte sie beiläufig.
»Sie wissen, daß die Geschichte nicht stimmt«, sagte Patanec ruhig und schenkte sich noch einen Scotch ein. »Sie sind es, die Ihren Mann betrügt.«
Maria Schubert zog die Augenbrauen hoch, lächelte. »Ah, ich sehe, die Spatzen pfeifen es von den Dächern! Aber gut, Sie haben recht, ich betrüge ihn. Aber er hat damit ange 88 fangen! Wenn er nicht angefangen hätte...« Sie stockte, grinste dann Patanec an. »Ich glaube, ich gehe jetzt wirklich besser, sonst lassen Sie mich überhaupt nicht mehr rein. Bis bald!«
Maria Schubert ging um halb fünf. Patanec räumte seinen Schreibtisch auf, obwohl es nichts aufzuräumen gab, doch er war ein Sauberkeitsfanatiker. Er fühlte sich nicht wohl, wenn auch nur ein Staubkrümel rumlag oder ein Stift oder ein Blatt Papier nicht die korrekte Lage hatte. Er begab sich nach oben, zog sein Tennisoutfit an. Die Tasche war bereits gepackt, er war mit Tomlin für eine Partie im Club verabredet. Wenn sie es einrichten konnten, spielten sie jeden Samstag von fünf bis halb sieben oder sieben, hinterher tranken sie meist noch eine Kleinigkeit an der Bar. Tomlin war ein mittelmäßiger Spieler, dafür ein großartiger Freund. Tomlin hatte es, das mußte Patanec neidvoll eingestehen, noch ein wenig weiter gebracht als er selber. Ihm gehörte eine Privatklinik für plastische und kosmetische Chirurgie, die Warteliste seiner Patienten betrug mindestens ein halbes Jahr. Er kannte Tomlin seit über zehn Jahren. Seit neun Jahren spielten sie zusammen Tennis, trafen sie sich dann und wann auf Partys, behandelte Patanec Tomlins Frau und wollte Tomlin erfahren, was mit seiner Frau war. Doch Patanec hielt sich eisern an das Susanne Tomlin gegebene Versprechen, nichts von dem, was sie ihm anvertraute, auszuplaudern, nicht einmal ihrem Mann gegenüber, und Patanec würde sich hüten, jemals dieses fast heilige Versprechen zu mißachten.
Er schloß die Haustür ab, stieg in seinen Jaguar. Die Hitze hatte die Temperatur im Wageninnern auf über fünfzig Grad ansteigen lassen. Patanec schaltete die Klimaanlage ein, binnen weniger Augenblicke sank die Temperatur auf angenehme fünfundzwanzig Grad.
Tomlin erwartete ihn bereits im Tennisdreß; den Schläger in der einen, ein Glas Orangensaft in der anderen Hand stand er an das Geländer am Eingang zum Vereinsgebäude gelehnt. Tomlin war sehr groß, knapp einsneunzig, das ganze Jahr über solariumgebräunt, sehr schlank und sehr elegant, selbst in einem Tennisdreß. Patanec wußte von der magischen Anziehungskraft, die Tomlin auf Frauen ausübte, doch wenn die Gerüchte stimmten, hatte er bis jetzt noch keiner eine Chance gegeben, oder aber er verstand es meisterhaft, seine Affären zu verbergen. Tomlin grinste, als Patanec aufkreuzte, und kam auf ihn zu. »Na, alter Freund«, sagte er mit seiner sonoren, rauchigen, sympathischen
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