Jung, blond, tot: Roman
ist sehr wohlhabend. Noch fehlt mir der Faden, aber ich werde ihn finden und dann gnade diesem Drecksack!« »Sie fliegen sehr hoch, Kollegin«, sagte Kullmer mit herablassendem Grinsen, wofür Julia Durant ihm zu gerne eine geklebt hätte.
»Besser hoch fliegen als tief kriechen, lieber Kollege«, kon terte sie spitz. Kullmer drückte seine Zigarette aus und erhob sich, ohne auf diese Bemerkung einzugehen. »Gibt es sonst noch was?« fragte er Berger. »Ja, befragen Sie auch noch die anderen, die an diesem Abend in der Gemeinde waren. Jeden einzelnen.« »Heute noch? Es ist halb sieben durch!« protestierte Kullmer. »Ich würde sagen, zwei, drei Leute könnten Sie schon noch in Ihre Planung einbeziehen. Wann treffen sich die Leute in dieser Kirche?«
»Sonntags von neun bis elf«, maulte er.
»Dann seien Sie bitte um neun dort. Ich will nicht, daß auch nur einer ausgelassen wird.«
»Wie Sie meinen«, sagte Kullmer säuerlich, machte auf dem Absatz kehrt, ließ die Tür demonstrativ laut ins Schloß fallen.
»Was halten Sie davon?« fragte Berger und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wovon, von Kullmer?«
»Quatsch, Sie wissen genau, was ich meine! Könnte der Mörder aus der Gemeinde kommen?« »Nein, glaube ich nicht«, sagte Julia Durant kopfschüttelnd. »Ich kenne eine ganze Reihe von Kirchen oder Sekten, Mormonen, Baptisten, Neuapostolische... Ich glaube, die meisten Leute dort sind integer. Sie haben einen sehr hohen Moralkodex. Dort begeht man keinen Mord, zumindest nicht in dieser abartigen Form. Es wäre für mich mehr als überraschend. Mich interessiert vielmehr, von wem Carola ihre Angst behandeln ließ.« »Bitte«, sagte Berger, gab dem Telefon einen Schwung und drehte es in Durants Richtung. Sie nahm den Hörer ab und wählte die Nummer von Carolas Eltern.
Samstag, 15.30 Uhr
Patanec war, nachdem Catherine Bernhardt wieder einmal ohne Slip seine Praxis verlassen hatte, in die Stadt gefahren, um sich in der Goethestraße einen Anzug, ein Hemd und Schuhe zu kaufen, hatte danach bei einem Chinesen zu Mittag gegessen. Gegen halb drei kehrte er in sein Haus zurück, legte die gekauften Sachen auf das französische Bett, schenkte sich einen doppelten Scotch ein, gab drei Eiswürfel dazu. Stellte sich ans Fenster, schaute auf seinen Garten, der aus einer ebenen Rasenfläche, Sträuchern und Bäumen sowie einem kleinen Swimmingpool bestand. Sein Jaguar parkte vor der Garage, das Tor zur Auffahrt stand offen.
Ein Blick zur Uhr, noch eine halbe Stunde bis zur letzten Patientin für diese Woche. Ein Alptraum von einer Frau, hoffnungslos verstrickt in einer undurchsichtigen Gefühlswelt. Verheiratet, nach außen hin glücklich, mit einem ebenso glücklichen Mann und zwei glücklichen Kindern. Von innen jedoch nagte der spitze Zahn von Rost und Zweifeln an ihr. Sie war wie ein Haus mit einer schönen, gepflegten Fassade, in ihrem Innern aber vermoderte Aas. Diese nur zwei Straßen weiter wohnende Frau kam seit zweieinhalb Jahren, um sich das Horoskop stellen oder sich die Karten legen zu lassen. Ihre Besuche erfolgten in unregelmäßigen Abständen, mal kam sie jede Woche, mal nur alle zwei oder drei Monate. Vor drei Wochen war sie zuletzt hiergewesen. Sie war nicht zu vergleichen mit der nymphomanen, manchmal bösartigen Catherine Bernhardt oder der wunderschönen Blüte Susanne Tomlin, sie war eine merkwürdige Mischung aus beiden. Patanec hatte noch nicht mit ihr geschlafen, obwohl er es gerne getan und bereits einmal die Möglichkeit dazu ge habt hätte. Aber da war sie betrunken, und wenn Patanec eines haßte, dann mit einer betrunkenen Frau zu schlafen. Sie war, entgegen ihrer sonst beherrschten, zurückhaltenden Art aggressiv und ausfallend, geradezu ordinär geworden. Er hatte sie höflich, aber bestimmt nach draußen begleitet und sie seitdem nicht wieder zu Gesicht bekommen.
Er trank seinen Whisky, schenkte noch einmal nach. Trotz der unerträglichen Schwüle trank er. Turmhohe, amboßförmige Kumuluswolken streckten sich bis weit in den Himmel, Patanec kannte sich aus, es bedeutete Gewitter. Er stellte das leere Glas auf den Nachtschrank, warf einen Blick auf seine neu erworbenen Sachen, ging ins Bad. Wusch Hände und Gesicht, fuhr sich mit einer Hand übers Kinn, kämmte sich. Gab ein paar Spritzer Giorgio Beverly Hills in seine Hand, verrieb es in Gesicht und Nacken. Ging hinunter in seine Praxis, wartete.
Maria Schubert verspätete sich um fünf Minuten. Er hörte ihren Wagen in die
Weitere Kostenlose Bücher