Jung, blond, tot: Roman
zufällig ihre auf seine. Warme Hände. Er sah Maria Schubert ernst an, wartete einen Moment, zog seine Hand zurück. Wieder dieser überlegene, spöttische Ausdruck in ihren Augen, um die Mundwinkel, sie nahm die Karten; mischen, abheben, Patanec legte. »Es gibt Probleme«, sagte Patanec nach einer Weile, schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber Annette... nein, das paßt nicht zusammen...« »Was meinen Sie?« fragte Maria Schubert, beugte sich vor, kniff die Augen zusammen. Erigierte Brustwarzen. »Es gibt hier einen Konflikt... warten Sie, ich muß überlegen.« Patanec schaute angestrengt auf die Karten, massierte mit den Spitzen von Zeige- und Mittelfinger seine Schläfen, berührte dann einige der Karten mit seinen Fingern, schüttelte erneut den Kopf, zog die Stirn in Falten, schloß die Augen. »Ihre Tochter muß vorsichtig sein, sie muß auf der Hut sein... Körperlich... Ich nehme an vor Verletzungen, es ist körperlich...« »Wird sie stürzen, sich verletzen?« fragte Maria Schubert ängstlich, den Kopf leicht geneigt.
»Ich weiß nicht, vielleicht. Es ist ein kompliziertes Bild. Sie wird kämpfen müssen... sich durchsetzen... - Es ist schwer zu deuten... ich habe normalerweise nicht diese Schwierigkeiten., aber diese Karte hier... ich höre Musik, Stimmen... ein Mann, irgendein Mann...« Patanec begann zu schwitzen, ließ die Karten liegen, lehnte sich zurück. Er, der nur selten schwitzte, wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn, sah auf die Karten, als wollte er sie hypnotisieren, dann auf Maria Schubert. Eine Vision wollte sich ihm aufdrängen, doch jedesmal, wenn das Bild gerade Konturen anzunehmen begann, verschwamm es wieder.
»Was für ein Mann?« fragte Maria Schubert nervös. »Was für ein Mann? Nun sagen Sie schon!« patanec erwiderte nichts, sah Maria Schubert an. »Könnte ich etwas zu trinken haben?« bat sie. »Natürlich, ich hole Ihnen etwas.« Er stand auf, fragte: »Whisky, Cognac, Gin?« »Einen Scotch mit Eis, wenn Sie haben.« Patanec bereitete zwei Gläser, reichte eines Maria Schubert. Sie trank, hielt das Glas zwischen den Fingern, Schweißperlen auf der Stirn, Ungeduld. »Jetzt sagen Sie schon, was für ein Mann?« »Ich weiß nicht, sie muß einfach nur vorsichtig sein. Irgendwer ist ihr nicht wohlgesonnen. Gibt es in der Balletttruppe jemanden, mit dem sie Schwierigkeiten hat? Neider, Mißgünstige?«
Maria Schuberts Anspannung entlud sich in einem erleichterten Auflachen. »Allerdings gibt es da jemanden! Seit Annette den zweitwichtigsten Part übernehmen durfte, hat der Vater ihrer härtesten/Konkurrentin einen Giftpfeil nach dem andern gegen Annette und uns abgeschossen. Er ist ein Stinktier!«
»Das könnte es sein«, sagte Patanec nachdenklich, aber vorsichtig, seine Intuition sagte ihm, daß das nicht das Bild war, das nur schemenhaft vor seinem inneren Auge erschien. Er nickte trotzdem, sagte entgegen seiner momentanen Überzeugung: »Ja, sicher, das könnte es sein. Mischen Sie noch einmal.«
Die gleiche Prozedur, nach einer Weile: »Seltsam, haargenau die gleiche Konstellation. Ich kann mich nur wiederholen, sie muß auf der Hut sein...« »Geht es denn wenigstens gut aus für sie?« fragte Maria Schubert zaghaft, ein wenig ängstlich. Patanec konzentrierte sich, schloß die Augen, atmete flach, fühlte kalten, klebrigen Schweiß in seinen Handflächen. »Es kann sein... Sie bringen mich in Verlegenheit... etwas stimmt nicht... Sagen Sie ihr, sie soll sich vorsehen...« Maria Schubert entspannte sich etwas, trank den Rest ihres Whiskys. »Ich werde es ihr ausrichten. Aber Sie wissen ja, sie hält nicht viel von Astrologie und Kartenlegen. Ich muß versuchen, es ihr auf eine andere Weise beizubringen. Außerdem kennt sie diesen Mistkerl ganz gut und versteht, mit ihm umzugehen. Drücken Sie ihr die Daumen, ich denke, das wird helfen.« Patanec fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, legte den Kopf in den Nacken. Er ärgerte sich, kein genaueres Bild bekommen zu haben, doch es war nicht das erste Mal, daß ihm so etwas passierte. Manchmal schien es, als gäbe es bestimmte Dinge, die er nicht wissen durfte, die eine andere, größere Macht absichtlich vor ihm verbarg, um ihm zu zeigen, daß ihm nicht alle Geheimnisse offenbart werden konnten. Doch was für eine Macht das war, konnte Patanec nicht sagen. Die Sitzung hatte ihn erschöpft, er verstaute die Karten in der obersten Schublade seines Schreibtischs, Maria
Weitere Kostenlose Bücher