Jung, blond, tot: Roman
alles! Er legt Karten, erstellt Horoskope, na ja, und macht wohl noch das eine oder andere. Die Schubert war gestern nachmittag bei ihm und hat sich die Karten legen lassen. Als sie davon sprach, ist sie auf einmal käsebleich geworden und hat sich einen dreistöckigen Whisky reingezogen. Denn Patanec, sagt sie, habe angeblich eine Gefahr auf ihre Tochter zukommen sehen. Moment, ich habe es notiert«, sie holte den Block hervor, suchte, »hier hab ich es - Patanec hat angeblich einen Mann gesehen, dazu eine Verletzung oder mehrere Verletzungen, er hat gesagt, daß Annette sich in acht nehmen müsse, eine weitere Rolle hat Musik gespielt, die Schubert könnte beschwören, daß er den Tod von Annette vorausgesehen hat. Aber weil sie nie etwas über den Tod wissen wollte, hat Patanec sich logischerweise recht bedeckt gehalten. Jetzt ergeht sie sich natürlich in Selbstvorwürfen. Ich werde mir diesen Patanec auf jeden Fall noch sehr eingehend vorknöpfen. Ein Psychologe, der gleichzeitig Astrologe ist! Man lernt eben nie aus. Aber ich will jede Einzelheit, wirklich jede Einzelheit aus seinem Leben wissen. Patanec ist ein Selbstdarsteller, der meine Fragen geschickt ausweichend beantwortete. Außerdem hört er sich selbst allzugern reden. Und er sieht verdammt gut aus - ich kann mir vorstellen, daß er bei seiner weiblichen Klientel mächtig Eindruck schindet. Trotzdem gefällt er mir nicht. Aber zurück zu Frau Schubert - auf meine Frage hin, ob sie irgendwem erzählt hat, daß sie gestern nur mit ihrem Mann und ihrem Sohn in die Oper gehen würde, meinte sie anfangs, es niemand gesagt zu haben, dann fiel ihr ein, doch mit Patanec darüber gesprochen zu haben, sie könnte allerdings nicht beschwören, ob sie erwähnt hatte, daß Annette allein zu Hause bleiben würde...« »Sie waren nach den Schuberts nicht noch mal bei Patanec?«
»Nein, ich bin direkt hierhergekommen. Schubert selber liegt übrigens im Krankenhaus, kleiner Herzanfall, aber nicht bedenklich. Ich denke, bevor ich noch mal mit Patanec rede, sollten wir herausfinden, ob seine Vergangenheit astrein ist.« »Unterstellen Sie ihm etwa...«
Durant wehrte die Frage Bergers entschieden ab. »Ich unterstelle Patanec gar nichts. Ich sag doch, es ist nur ein Gefühl. Aber vielleicht weiß er mehr, als er zugibt.« Dann hielt sie inne, zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort: »Die Schuberts sind übrigens ein seltsamer Verein. Sie ist mit ihrem Sohn zu Hause und noch einer Freundin. Diese Freundin ist gelinde gesagt eine Sexbombe, die kaum etwas von ihren beachtlichen körperlichen Vorzügen verbarg, als ich kam. Dann die Art, wie die beiden Frauen miteinander umgehen... Allem Anschein nach ist Maria Schubert lesbisch...« »Sie ist doch aber verheiratet!« bemerkte Schulz. »Na und? Es gibt Leute, bei denen macht so was keinen Unterschied. Frustrierte Ehefrau, gleichgültiger Mann, der zudem die meiste Zeit nicht zu Hause ist. Und mit der Zeit gewöhnen sich auch die Kinder an eine solche Situation. Es ist im Prinzip harmlos gegen das, was ich bei der Sitte erlebt habe. Okay, die Schubert ist vielleicht keine Lesbe im herkömmlichen Sinn, sie treibt's wohl mit Männern und Frauen.«
Während Durant ihren vollständigen Bericht ablieferte und danach mit Berger eine Kleinigkeit essen ging, kümmerte sich Schulz in der Zwischenzeit darum, alle nur möglichen Informationen über Patanec einzuholen. Die beim Bundeskriminalamt angeforderten Daten wurden schon eine halbe Stunde später vom Computer ausgespuckt. Berger und Durant kamen gerade vom Essen zurück, als die Daten ausgedruckt wurden. Schulz las den Bericht durch, als die beiden durch die Tür traten. Er runzelte die Stirn, ein erstaunter Pfiff durch die Zähne, er reichte den Bericht weiter an Berger. Durant stellte sich neben ihn und las mit. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Sonntag, 15.00 Uhr
Kullmers Gemeindebefragung war ein Flop, wie nicht anders zu erwarten. Der Autopsie- und Laborbericht von Annette Schubert lag um Viertel nach drei vor. Er bestand aus fünf vollbeschriebenen DIN-A4-Seiten, abgezeichnet von Dr. Bock vom Institut für Rechtsmedizin. Der Mörder hatte mit einem Stilett zweiunddreißigmal zugestochen, davon waren fünf Stiche tödlich, drei ins Herz und zwei in den Unterleib, wovon einer die Bauchschlagader getroffen hatte. Die Todeszeit betrug ziemlich genau 20.30 Uhr. Annette Schubert war von den bisher ermordeten Mädchen mit einsachtundfünfzig die kleinste, sie
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