Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
mit Knorpel, Adern und Grieben. Mutter sagt, das ist eine Säufernase. Komisch, dass sie mir die Schlepperei nicht einfach verbietet, ein Glück nicht.
Der Kartoffelbauer lässt den Trecker wieder an und fährt fünfzig Meter weiter und klingelt wieder mit seiner Glocke. Dong, dong, dong. So geht das den lieben langen Tag. Wir schleppen und schleppen und haben bald hochrote Köppe und lahme Arme. Der Rücken tut mir weh. Wenn der Trecker sich wieder in Bewegung setzt und wir nur nebenherlaufen müssen, mache ich drei Kreuze wegen der Erholungspause. Aufgeben würde ich nie, außerdem hätte ich ein schlechtes Gewissen, den Kartoffelbauern im Stich zu lassen, und vor Martin darf ich mir auch nichts erlauben. Der sieht zwar auch aus, als ob er aus dem letzten Loch pfeifen würde, aber er gibt genauso wenig auf, er ist ein zäher Hund wie ich. Der Kartoffelbauer spricht die ganze Zeit kein Wort mit uns und wir aber auch nicht mit ihm oder untereinander, schließlich geht es um die Arbeit, und da spricht man nicht viel. Da kommen Norbert und Axel. Tja, viel zu spät! Man sieht ihnen förmlich ihre Enttäuschung an, die hätten sich auch gerne eine schöne Stange Geld verdient. Sie stehen rum wie bestellt und nicht abgeholt und warten darauf, dass sie vom Kartoffelbauern auch einen Auftrag erhalten. Aber der hat ja in uns schon zwei Arbeiter, und Norbert und Axel gehen leer aus. Wo waren die überhaupt den ganzen Nachmittag? Bei uns geklingelt haben sie jedenfalls nicht. So bleibt ihnen nicht viel anderes übrig, als mit hängenden Köpfen wieder abzuziehen. Da kommt Oma herbeigelaufen. Wahrscheinlich hat sie noch etwas vergessen, und jetzt hetzt sie los zu Langwerner, denn gleich ist es sechs, und dann macht Langwerner zu.
«Was machst du denn da, Mathias, ich dachte, ihr wolltet Fußball spielen!»
Mit diesen Worten schüttelt sie dem verdutzten Kartoffelbauern die Hand. Ihr macht es nichts aus, dass seine Hände schmutzig sind, aber dem Kartoffelbauern macht es was aus! Er schämt sich und würde sie am liebsten in seinen riesigen Taschen für immer verstecken, aber gegen Oma ist kein Kraut gewachsen.
«Und, helfen die Jungen schön mit?», fragt sie ihn.
Man sieht dem Kartoffelbauern an, dass er nicht weiß, was er antworten soll. Dann sagt er schließlich:
«Jo, gut machen die das.»
«Aber die dürfen nicht zu schwer tragen, die sind noch im Wachstum.»
«Nee, das ist doch nicht schwer!»
«Na!», sagt Oma und guckt den Kartoffelbauern forschend an.
«Nee, nee, wirklich nicht zu schwer.»
«Dann will ich auch mal weiter», sagt Oma und reicht dem Kartoffelbauern schon wieder die Hand, aber jetzt macht es ihm nichts mehr aus, und er freut sich, dass Oma so nett zu ihm ist. Und schon hetzt sie weiter zu Langwerner. Gleich sind wir fertig mit der Runde durch die Siedlung. Meine Arme zittern, jetzt reicht es wirklich. Der allerletzte Kunde bestellt einen ganzen Zentner, da muss der Kartoffelbauer selbst ran, ein Glück. Und nun kommt der große Moment, wo er jedem von uns einen Zehnmarkschein in die Hand drückt. Dann dürfen wir uns noch Kartoffeln für zu Hause nehmen, und am Ende fährt der Kartoffelbauer davon. In dem Moment kommt Oma wieder, sie hat noch einen Liter Milch gekauft.
«Hast du morgen wieder Zeit?», fragt Martin.
«Ja. Wieder um halb zwei?»
Wir schütteln uns die Hände, und er zieht davon, während ich mit Oma nach Hause gehe.
Steppenbrand
Jetzt kommt die Zeit der Herbststürme. Mir machen Sturm und Regen nichts aus. Im Gegenteil, es ist die schönste Zeit des Jahres. Wenn ich mich oben auf dem Dachboden in Sicherheit wiege, kann draußen passieren, was will. Manchmal stürmt es so, dass man meinen könnte, das Dach wird abgedeckt. Ich bin jetzt auch öfter bei Martin zu Hause eingeladen. Sein Vater arbeitet bei Karstadt und seine Mutter bei der Sparkasse. Außerdem hat er noch zwei ältere Brüder. Die Familie wohnt in einer Sozialwohnung, obwohl sie das gar nicht nötig haben, weil sie eigentlich zu viel verdienen, sagt Mutter.
«Ich sollte mal auch Geld vom Staat bekommen», sagt sie, aber nie im Leben würde sie zum Sozialamt rennen, außerdem bekommt Opa ja 2700 Mark Rente.
Ich liege im Bett und fühle mich ganz besonders wohl, denn draußen ist es ungemütlich, und Oma krabbelt mich und erzählt Geschichten aus dem Harz. Wenn sie aus ihrer alten Heimat erzählt, könnte man meinen, es geht dort zu wie im Märchen. Sie hat mir schon so oft von Ilsenburg und Wernigerode und
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