Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
nicht, man wird gerade eben so satt, für Frau Donath reicht es nie und nimmer, aber die zuckt sowieso nur mit den Schultern und hält eine Hand ans Ohr, weil sie nichts verstanden hat. Oma Emmi wiederholt den Satz in doppelter Lautstärke, doch Frau Donath winkt ab und nuschelt irgendetwas Unverständliches vor sich hin. Man hört nur «Frau Beuger» raus. Die könnten sich auch sechzig Jahre kennen und würden sich immer noch siezen. Plötzlich und unerwartet springt Lexi Frau Donath auf den Schoß, die sofort panisch um sich schlägt und hohe, fieselige Töne von sich gibt. Oma Emmi schimpft: «Lexi, pfui, lässt du das wohl bleiben.»
Höchste Zeit, dieses Irrenhaus zu verlassen.
«Ich geh dann mal wieder zu Holzapfels rüber.»
«Was wollt ihr denn machen?»
«Weiß ich nicht. Mal Manfred fragen.»
In der Garage steht neben Onkel Horsts Kadett ein altes, rostiges Hollandrad. Oma Emmi benutzt es sicher nicht, bestimmt hat es auch Onkel Horst gehört. Wieso verkauft sie das Auto eigentlich nicht, wenn sie nur so wenig Rente bekommt? Wahrscheinlich will sie es als Andenken behalten. Ich nehme mir das Rad. Manfred wartet auf der Straße.
«Da bist du ja endlich! Lass mal los. Wir fahren zur Tonkuhle.»
Ich habe nicht den geringsten Schimmer, was das sein soll, aber ich bin auch nicht in der Position, dumme Fragen zu stellen, also radele ich hinter ihm her. Es geht dorfauswärts über die Eisenbahnbrücke, kurz dahinter mündet die Straße in einen Trampelpfad, den nur mehr Trecker, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Fahrzeuge passieren können. Wir fahren bestimmt zwei Kilometer durch den Wald, bis Manfred anhält und sein Fahrrad in die Büsche pfeffert. Mir ist zunächst völlig schleierhaft, was das alles mit einer Tonkuhle zu tun haben soll, aber nach ein paar Schritten tut sich vor uns ein mit dichten Hecken und Büschen umgebenes Gelände auf, das von einem mannshohen Zaun umgeben ist. Wir tasten uns durchs Gestrüpp, bis wir zu einem Loch kommen, das jemand in den Zaun geschnitten hat, wahrscheinlich Manfred. Er macht das Psssst-Zeichen, dann klettern wir durch das Loch auf das Grundstück und erreichen nach wenigen Metern ein Holzhaus. Von hier aus kann man mühelos auch den Rest der Anlage überblicken: Linker Hand befinden sich drei kleine Teiche und rechts ein großer, an dessen Ende ein von Menschenhand aufgeschütteter Sandstrand ist, von dem aus ein Steg zu einem Mini-Badehäuschen mit Sprungbrett führt.
«Niemand da», sagt Manfred und grinst.
«Ich versteh nur Bahnhof.»
Er klärt mich auf: «Das Grundstück hier gehört den Kempermanns, so heißen die, die wohnen in Hamburg und sind meist nicht da. In den kleinen Teichen züchten sie Zierfische, und im großen wurde früher Ton abgebaut, und später ist die Kuhle irgendwann vollgelaufen wie bei so ’nem Bergwerk. Wenn Kempermanns nicht da sind, kann man hier heimlich schwimmen. Man darf sich nur nicht erwischen lassen, und die dürfen das Loch im Zaun nicht entdecken. Wenn die am Wochenende kommen, haben die nämlich zwei Schäferhunde, und die sind mannscharf.»
Immer diese Hunde. Mir wird mulmig. «Und was ist, wenn die plötzlich doch auftauchen?»
«Hörst du nicht zu, du Eddel? Die kommen nur am Wochenende. Außerdem hört man rechtzeitig das Auto, und bis die uns dann entdeckt haben, sind wir längst über alle Berge. Wir müssen nur unsere Sachen zusammenhalten.»
Ich hab trotzdem Schiss, es sind schließlich Ferien. Was ist, wenn Kempermanns auf die Idee kommen, bei dem herrlichen Wetter mal außer der Reihe einen Ausflug zu unternehmen? Aber ich sag lieber nichts. Wir legen uns in Badehose an den Strand und genießen die Sonne, also ich in Unterhose, ich wusste ja nicht, wo es hingeht. Eine Hand habe ich immer bei den Klamotten, falls es plötzlich schnell gehen muss. Doch es ist gleich vier, so spät kommen die Kempermanns sicher nicht, beruhige ich mich, und bald schon lässt die Anspannung nach. Herrlich ist es hier, tausendmal besser als im Freibad Außenmühle. Kein Chlor, keine Umkleiden, keine Überfüllung, kein Bademeister, kein nix. Und vor allem kein Eintritt. Wir legen uns an den Strand und lesen. Manfred hat Asterix-Hefte mitgenommen, ich lese Vampir-Horror-Hefte, die ich mal im Altpapier gefunden habe. Das waren ungefähr zwanzig Stück, die ich immer wieder rauf und runter durchschmökere. Heute habe ich «Das Archiv der schwarzen Särge» am Wickel. Manfred liest «Asterix bei den Briten». Nach
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