Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
einer halben Stunde wird ihm langweilig, und er kramt eine Packung Lux-Zigaretten aus seinem Beutel.
«Rauchst du?»
Ach du Scheiße, Manfred ist bestimmt nicht viel älter als ich! In dem Alter kann man doch nicht schon rauchen, im Wachstum sind Zigaretten noch viel schädlicher als ohnehin schon. Aber vielleicht fangen die hier auf dem Land früher an und nicht erst mit vierzehn, fünfzehn.
«Ja, logisch.»
Manfred reicht mir eine Kippe, lässt ein Streichholz aufflammen und hält es in die Kuhle seiner Handfläche. Ich beuge mich rüber, es knistert leise, als der Tabak Feuer fängt. Ich halte den Rauch so lange im Mund, wie ich kann, damit er denkt, ich rauche auf Lunge. Aber so leicht lässt er sich nicht veräppeln.
«Du paffst ja bloß!»
Jetzt hat er mich erwischt, und ich muss in den sauren Apfel beißen. Ich versuche, den Rauch nicht in die Lunge, sondern nur in den Hals zu ziehen, aber es zwiebelt trotzdem wie sonst was, und mir wird schwindelig. Obwohl mir ganz übel ist, rauche ich weiter bis zur Schrift, dann will ich die Kippe endlich ausmachen, aber Manfred protestiert.
«Erst mal richtig aufrauchen.»
Er weiß ganz genau, was los ist. Ich kann wirklich nicht mehr. Einen Zug noch, und ich kotze den ganzen Strand voll.
«Nee, keine Lust mehr.»
Bevor er etwas sagen kann, renne ich zum Sprungbrett und jumpe mit Köpper in die Tonkuhle. Ich glaube, das sah ganz gut aus. Ich tauche unter und spüle heimlich meinen Mund mit Wasser, um den widerlichen Geschmack loszuwerden. Manfred springt hinterher, und gemeinsam schwimmen wir zum anderen Ende und wieder zurück, mindestens hundert Meter die Strecke sind das. Über uns der wolkenlose, glänzende Himmel und um uns das kühle Nass. Ein Vogelschwarm erhebt sich wie in Zeitlupe und explodiert am Himmel, so sieht es jedenfalls aus. Ist das schön hier! Wie im Paradies. Vielleicht fahren wir ab jetzt jeden Tag hierher, sechs Wochen am Stück! Ich frage Manfred das aus Angst vor einer Enttäuschung nicht, aber die Chancen stehen gut, glaube ich. Nach dem Schwimmen steckt er sich die nächste Kippe an. Ich winke ab. Zum Glück lässt er mich, er weiß ja sowieso, was los ist. Mit geschlossenen Augen raucht er die Zigarette bis zum Filter runter. Er macht das nicht, um zu schocken, ihm schmeckt es wirklich. Manfred sieht aus, als ob er schwere Knochen hätte, und die einzelnen Teile seines Körpers passen nicht richtig zueinander, Beine und Kopf sind zu groß für den Rest. Ich glaube, dass er unwahrscheinliche Kraft hat, das liegt bestimmt in der Familie. Man sieht das auch bei Wilfried junior. In ein paar Jahren werden es die Söhne sein, die ihrem Vater eine Abreibung erteilen, und nicht umgekehrt.
Viel sprechen wir nicht, er fragt mich nur einmal, auf welche Schule ich gehe. «Hauptschule», antworte ich, weil ich nicht als Streber gelten will. Glück gehabt, Manfred geht auch auf die Hauptschule. Wenn er fertig ist, will er eine Ausbildung auf dem Lernhof machen und Bauer werden. Allerdings muss er einen eigenen Hof aufmachen, weil Wilfried junior als Erstgeborener den Holzapfelhof übernehmen soll.
Plötzlich fängt er laut an zu fluchen und schlägt sich volle Kanne auf den Oberschenkel.
«Scheiße, Stechmücken.»
Diese eine Sorte Mücken gibt es nur hier, behauptet er, und ihr Stich ist fast so schmerzhaft wie der von Wespen oder Bienen. Eins zu eine Million, schießt es mir wieder durch den Kopf. Wenn nun alle Insekten, die für einen vorgesehen sind, auf einmal auftauchen? Dann hätte man keine Chance! Stechmücken haben als einzigsten Vorteil, dass sie erst am späten Nachmittag kommen, sagt Manfred. Wenn also die Stechmücken über einen herfallen, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um hier zu verschwinden, weil wir dann ja sowieso nach Hause müssen. Gesagt, getan. Wir packen unsere Sachen und fahren zurück.
Vor dem Holzapfelhof verabschieden wir uns.
«Morgen fahren wir wieder. Dann aber um eins.»
Juhu, morgen wieder, meine Hoffnung hat sich also erfüllt!
Oma Emmi ist ganz fahrig, weil es schon nach sechs ist. Obwohl ich extra drauf achte, ihr nicht zu nahe zu kommen, riecht sie es:
«Sag mal, Mathias, hast du etwa geraucht?»
«Wie kommst du denn darauf? Ich muss mal.»
Ich stürze ins Bad und putze mir wie ein Verrückter die Zähne. Oma Emmi benutzt Lacalut-Zahncreme, die schmeckt wie Knüppel auf den Kopp. Danach betätige ich die Spülung. Oma Emmi ist weiter misstrauisch.
«Hauch mich mal an.»
Was bleibt mir anderes
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