Junger, Sebastian
Männer gingen
hinter Grabsteinen und Stechpalmen und Holzstapeln am Straßenrand in Deckung.
Als
Einzigen erwischte es Restrepo. Zwei Schüsse trafen ihn im Gesicht, und heftig
blutend fiel er zu Boden. Aus so vielen verschiedenen Richtungen wurde derart
massiv geschossen, dass anfangs niemand loszulaufen wagte, um ihn zu holen. Als
sie ihn schließlich in Sicherheit gezogen hatten, wussten sie nicht, was sie
bei einer so schweren Verwundung tun sollten, und er bemühte sich verzweifelt,
ihnen zu erklären, wie sie sein Leben retten könnten. Schon nach Minuten
verließen drei Humvees mit Getöse den KOP, und in zwanzig Meilen Entfernung
hob ein MEDEVAC von der Airbase in Asadabad ab. Im gesamten Tal brach ein
Feuergefecht aus, aber man schaffte es, Restrepo in weniger als zwanzig Minuten
in den KOP zurückzubringen. Noch atmete er, aber er verlor immer wieder das
Bewusstsein. Man brachte ihn auf die Erste-Hilfe-Station, und ihm wurde ein
Sauerstoffschlauch in die Luftröhre geschoben. Ein Teil des Sauerstoffs geriet
jedoch in seinen Magen, sodass er sich erbrach.
»Es war
das erste Mal, dass ich einen von uns so gesehen habe«, sagte mir Sergeant Mac.
»Außer Padilla war er der Erste von uns, den ich so schrecklich zugerichtet
gesehen habe. Als ich half, ihn in den Laster zu heben, konnte ich sehen, dass
kein Leben mehr in ihm war. Einen Körper zu bewegen, der sich nicht mehr selbst
bewegt, das war schon komisch. Er war fast ... fremdartig. So etwas versteckt
man irgendwo ganz tief drin und beschäftigt sich erst viel später damit.«
Der
MEDEVAC-Pilot war über dem Tal gekreist, denn er wollte nicht landen, solange
das Gefecht anhielt. Aber er setzte schließlich doch im KOP auf, und Restrepo
wurde an Bord gebracht.
Der
Funkspruch kam drei Stunden später. O'Byrne hatte bereits in sein Tagebuch
geschrieben, dass Restrepo ein zu guter Mensch sei, als dass Gott ihn sterben
lassen könnte - hatte das geschrieben, obwohl er gar nicht an Gott glaubte -,
und er und Mac befanden sich im Zelt des 2 nd Platoon, wo sie das
Blut von Restrepos Sachen entfernten. Sie mussten dazu feuchte Babytücher
benutzen, denn das geronnene Blut hatte zusammen mit dem Schmutz die Fugen
seines M4 verklebt. Sie mussten außerdem alle Geschosse aus seinen Magazinen
nehmen und auch davon das Blut abwaschen, damit sie an die anderen Männer
verteilt werden konnten. Sie waren fast fertig, als ein Sergeant namens Rentas
ins Zelt trat und O'Byrne an den Schultern packte. »Er hat es nicht geschafft,
Mann«, sagte Rentas. O'Byrne hätte ihm für eine solche Lüge beinahe eine reingehauen.
»Lange
Zeit habe ich Gott deswegen gehasst«, sagte O'Byrne zu mir. »Jedenfalls haben
die Jungs vom 2 nd Platoon danach gekämpft wie die Bestien.«
Die
Bordschützen des Black Hawk jagen ein halbes Dutzend Feuerstöße auf die
Felshänge, um die Läufe ihrer Waffen durchzupusten, und wir legen uns so steil
in die Kurve, dass ich aus der Laderaumtür fast senkrecht hinunter auf den
Boden sehen kann. Zwei Apaches folgen uns in einer Viertelmeile Abstand, tief
hängend vor schwerer Bewaffnung und von links nach rechts schwänzelnd wie
riesige schwarze Wespen. Gepflegte grüne Felder ziehen dreihundert Meter unter
uns vorbei, und hier und da sehe ich Männer, die im Fluss baden oder Pick-ups
waschen, die sie ins seichte Wasser am Ufer gefahren haben, wie man Arbeitspferde
zur Tränke bringt. Ein Bauer winkt uns zu. Das erstaunt mich, bis mir klar
wird, dass er wohl nur verhindern möchte, beschossen zu werden. Ich habe auch
mal einem Apache zugewinkt. Ich stand allein auf einer Hügelkuppe oberhalb des
KOP, und da ich nicht wie ein Soldat gekleidet war, fragte ich mich beklommen,
wie ich aus der Luft wirken musste. Der Pilot war ein Stück runtergegangen, um
mich genauer in Augenschein zu nehmen, und mir war, als hätte ich gesehen,
dass die 30-mm-Maschinenkanone unter der Hubschraubernase in meine Richtung
schwang. Ich mag mir das alles nur eingebildet haben, aber ein schönes Gefühl
war es nicht.
Wir
fliegen an der amerikanischen Basis inAsadabad vorbei und drehen westlich ab,
das Pech-Tal hinauf. Wir fliegen auf Kammhöhe, und das Tal hat sich verengt,
sodass ich Afghanistans grausige Geologie direkt vor Augen habe. Nichts als
Felsen, die so steil abfallen, dass man einen Hubschrauberabsturz vielleicht
überleben könnte, aber nach dem Aufprall unweigerlich immer weiter und weiter
bergab trudeln und aufschlagen würde, bis man in der Talsohle
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