Junger, Sebastian
sie
durchfielen.
Besonders
rätselhaft an der Angst ist die Tatsache, dass sie nur lose mit dem Grad der
Gefahr verknüpft ist. Während des Zweiten Weltkriegs meldeten mehrere
Luftlandeeinheiten, die in die heftigsten Kampfhandlungen des Kriegs verwickelt
waren, einige der niedrigsten Raten an Stresskranken im US-Militär. Es ist
typisch für Kampfeinheiten, dass auf jeden physisch Verwundeten ein psychischer
Krankheitsfall kommt, und während Israels Jom-Kippur-Krieg 1973 war das
Verhältnis bei den Frontsoldaten ungefähr dasselbe. Aber bei den israelischen
Logistikeinheiten, die weitaus geringerer Gefahr ausgesetzt waren, kamen drei psychische
Krankheitsfälle auf jeden physischen. Und sogar Frontsoldaten zeigten enorme
Schwankungen bei den Quoten an psychischen Zusammenbrüchen. Weil viele
israelische Offiziere buchstäblich von der Front aus befehligten, mussten sie
viermal häufiger damit rechnen, verwundet oder getötet zu werden, als ihre
Männer - und doch kam es bei ihnen fünfmal weniger zu psychischen
Zusammenbrüchen. Der Hauptfaktor, der den Zusammenbruch im bewaffneten Kampf
bestimmt, scheint nicht der objektive Grad der Gefährdung zu sein, sondern
eher das Gefühl - sogar die Illusion - von Kontrolle. Höchstklassig
ausgebildete Männer in außergewöhnlich gefährlichen Situationen brechen weit
weniger leicht zusammen als untrainierte Männer in geringer Gefahr.
Selbst in
ein und derselben zusammengeschweißten Gruppe kann es durchaus sowohl Männer
geben, die meinen, ihr Schicksal unter Kontrolle zu haben, wie solche, denen es
nicht so geht. Während des Zweiten Weltkriegs mussten britische und
amerikanische Bomberbesatzungen Verlustraten bis zu siebzig Prozent innerhalb
einer Abfolge von Angriffen erleben; in der Tat flogen sie Einsätze so lange,
bis sie ums Leben kamen. Die Piloten dieser Flugzeuge berichteten von weniger
Angst als ihre Turmschützen, die bei Kampfeinsätzen von entscheidender
Bedeutung waren, aber keine direkte Kontrolle über das Flugzeug besaßen.
Kampfpiloten, bei denen die Verlustraten fast ebenso hoch waren wie bei den
Bombermannschaften, berichteten nichtsdestoweniger von äußerst geringem Angstniveau.
Sie waren erstklassig ausgebildet und besaßen die absolute Kontrolle über ihr
Schicksal, und das erlaubte ihnen, die statistische Realität zu ignorieren,
dass sie nur eine Fifty-Fifty-Chance besaßen, ihre Einsätze zu überleben.
Unter
Männern, die um der Sicherheit willen voneinander abhängig sind - im Grunde
alle Kampfsoldaten -, kommt es oft zur unausgesprochenen Übereinkunft,
zusammenzuhalten, koste es, was es wolle. Die Bestätigung, niemals im Stich
gelassen zu werden, scheint Männer darin zu unterstützen, so zu handeln, dass
sie eher der ganzen Einheit dienen als ihnen selbst. Manchmal wird daraus sogar
ein Selbstmordpakt. Während des Luftkriegs 1944 legten die vier Männer der
Kampfbesatzung eines B-17-Bombers das Gelübde ab, einander niemals im Stich zu
lassen, wie verzweifelt die Situation auch sein mochte. (Ein fünftes
Besatzungsmitglied, der Schütze des oberen MG-Turms, war nicht Teil des
Paktes.) Während eines Einsatzes wurde das Flugzeug von Flakfeuer getroffen
und kam ins Trudeln. Der Pilot befahl allen abzuspringen. Der Schütze des
oberen Turms gehorchte dem Befehl, aber der Kugelturmschütze stellte fest,
dass ein Flakgeschosssplitter seinen Turm so blockierte, dass er nicht
aussteigen konnte. Die anderen drei Männer, mit denen er den Pakt geschlossen
hatte, hätten mit Fallschirmen abspringen können, blieben aber bei ihm, bis das
Flugzeug aufschlug und explodierte. Alle starben.
Einer der
Taliban-Kämpfer fällt tot zu Boden, und der andere lässt Brennan los. Er
entkommt bergab zwischen die Bäume. Giunta schiebt ein neues Magazin in sein
Gewehr und schreit nach einem Sanitäter. Brennan liegt schwer verwundet und ungeschützt
auf dem Boden, und Giunta packt ihn an der Weste und zerrt ihn in leichte
Deckung. Er schneidet ihm den Munitionsträger von der Brust und reißt die
Leine seiner ballistischen Weste, um ihn zu befreien. Dann schneidet er seine
Kleidung auf, um nach Verletzungen zu suchen. Brennan ist mehrfach in die Beine
getroffen worden, hat eine riesige Schrapnellwunde in der Seite und wurde
außerdem in der unteren Gesichtshälfte getroffen. Er ist noch bei Bewusstsein
und beschwert sich ständig darüber, dass er etwas im Mund hat. Das sind lose
Zähne, aber Giunta sagt es ihm nicht.
Die B-1
fliegt über sie hinweg
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