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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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weißt.«
    O'Byrne
hatte schon fast eine Flasche Rotwein intus, und seine Freunde tranken Bier und
zwischendurch immer wieder mal einen kleinen Tequila. Ich entschuldigte mich
bei ihnen, dass ich das Gespräch auf den Krieg brachte, und sie sagten, macht
doch nichts, bitte, und ich erzählte O'Byrne davon, wie der Feind von einem
Gebirgskamm das Feuer eröffnet hatte und dann von einer anderen Seite heraufgeschlichen
war und die Hügelkuppe überrannt hatte. Ich berichtete ihm von Rice
undVandenberge und wie der l st Platoon auf dem Gatigal-Ausläufer
direkt in einen Hinterhalt gelaufen war. O'Byrne brauchte eine Weile, um das
zu verdauen.
    »Und
Mendoza ist ein verdammter Held, stimmt's?«, sagte er. »Er ist der American
Hero, oder?«
    »Ja, er
ist ein Held.«
    »Und
Brennan war tot, ja?«, sagte O'Byrne. »Ich meine, sie haben ihn doch nicht
lebendig weggeschleppt, oder?«
    Ich wusste
nicht so genau, was ich sagen sollte. Soldaten können sich anscheinend relativ
leicht mit dem Gedanken anfreunden, im Kampf zu fallen, aber lebendig
verschleppt zu werden, ist etwas anderes. »Nein, er ist erst später gestorben«,
sagte ich. »Da war er noch am Leben.«
    O'Byrne
sah sich um. Ich überlegte, was ich tun sollte, wenn er in Tränen ausbrach.
Doch er sammelte sich und fragte schließlich gefasst, wie viele feindliche
Kämpfer getötet worden waren.
    »Viele«,
sagte ich ihm. »So um die fünfzig. Dreißig davon waren Araber. Die A-10s haben
ganze Arbeit geleistet.«
     
    »Ja, legt
sie um, diese Dreckskerle«, sagte O'Byrne. Das wiederholte er einige Male und
gönnte sich noch einen Drink. Ich fragte, mit welchen Gefühlen er nach
Afghanistan zurückkehrte.
    »Ich muss
dahin zurück«, sagte er. »Das sind meine Jungs. Das sind die besten Freunde,
die ich je haben werde.«
    Er packte
meinen Arm und wollte mich ansehen. Aber er musste mich immer wieder neu
fokussieren. Und seine Augen blieben umwölkt. Ich stand auf, um zu gehen, und
O'Byrne stand ebenfalls auf. Er umarmte mich mehrmals. Ich wünschte ihm Glück
und sagte, in ein, zwei Monaten würden wir uns da drüben wiedersehen. Auf dem
Weg nach draußen sagte ich Addie, der Bar-Managerin, dass ich die Rechnung
übernehmen wollte. Später erzählte sie mir, dass sie dem Trio nach dem nächsten
Drink nichts mehr ausgeschenkt hatte, weil O'Byrne vom Stuhl gefallen war und
das Mädchen kaum mehr sprechen konnte.
    »Aber er
war höflich«, sagte Addie. »Ich meine, betrunken wie er war, hat er doch immer
seine Kappe abgenommen, wenn ich an den Tisch kam.«
     
    -5-
     
    Vorgeschobene Operationsbasen sind eine ganz besondere Art Hölle,
bieten sie doch nichts von der aufregenden Spannung des echten Krieges, sondern
nur dessen ganze Hässlichkeit: Reihen von Bretterbuden und überall Waffen und
Apaches, die dich jederzeit aus dem Schlaf reißen, wenn sie in drei Meter Höhe
über die Landebahn rauschen. Journalisten bewegten sich gewöhnlich mit
planmäßigen Nachschubflügen auf dem Kriegsschauplatz, aber auch geringfügige
Probleme bei der Logistik können bewirken, dass man plötzlich tagelang in einer
FOB festsitzt. In Bagram gab es zumindest gut zu essen und einen riesigen
PX-Markt; Dschalalabad hatte rein gar nichts zu bieten. Im Winter brachte
einen der Wind zum Wahnsinn, weil er die Zelttüren flattern ließ, und im Sommer
wurde es so heiß - fünfzig Grad im Schatten -, dass man es kaum über den Exerzierplatz
schaffte, ohne zu pausieren und Wasser zu trinken. Ich war im VIP-Zelt
einquartiert wie alle Journalisten, und eines Nachmittags versuchte ich der
Flammenwerferhitze zu entkommen, indem ich mich auf meine Pritsche legte und
schlief. Als ich erwachte, war ich durch die Dehydrierung derart konfus, dass
mir jemand in ein anderes Zelt mit besserer Klimaanlage helfen musste. Am Jalalabad
Airfield war nicht viel anderes zu tun, als nur die Mahlzeiten nicht zu
verpassen und zu beten, dass der Feind, wenn er mal wieder den Nerv hatte, uns
anzugreifen, das täte, wenn wir sowieso dort festsaßen und deswegen berichten
konnten.
    Im
Korengal sprachen die Soldaten nie vom übrigen Kriegsgeschehen, und es
kümmerte sie auch nicht. Daher war es schwierig, ein Gefühl dafür zu bekommen,
was draußen im übrigen Land vor sich ging. Die großen Basen hatten das gegensätzliche
Problem: Da es zu so gut wie keinen Kampfhandlungen kam, lebte jeder mit einem
gewissen Zweckoptimismus, der sich nie an der Realität draußen vor dem
Drahtverhau messen musste. Die PR-Jungs auf den

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