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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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mir
einer dieser Männer im Frühling 2008. Er hatte beim US-Militär eine Position
von gemäßigtem Einfluss inne, und sein Pessimismus war so erfrischend, dass er
in mir einen kuriosen Optimismus weckte. Und dann war da der Sergeant vom 3 rd Platoon,
den ich im Air Terminal von Bagram erkannte, als ich auf einen Flug wartete.
Ich deutete etwas an über den Fortschritt im Tal, und er gab sich nicht einmal
Mühe, sein Missbehagen zu verhehlen. »Was reden Sie denn da? In einem gottverdammten
Morast stecken wir«, sagte er. »Es gibt keinen Fortschritt mit den
Einheimischen. Es geht einfach nicht voran, und ich trau nicht mal dem S-2 -
der hat nur Scheiße im Kopf. Ich war bei einem Infogespräch, und der S-2 redet
davon, dass die Iraner die Taliban finanzieren. Ich fragte nach all dem Geld,
das von den Wahhabiten in Saudi-Arabien kommt, und er sagte, das seien private
Spenden, die man schwerer zurückverfolgen könne. Schwerer
zurückzuverfolgen als Geld, das von der iranischen Regierung kommt?«
    S-2 ist
das Kürzel für einen Military Intelligence Officer. Es standen viele Soldaten
um uns herum, die gerade im Land angekommen waren, und als der Sergeant mit
den Iranern anfing, schickten sie uns ziemlich strenge Blicke herüber. Manchmal
waren es die Neulinge, die Männer, die noch nie Kampfhandlungen gesehen
hatten, die am feindseligsten reagierten, wenn der Krieg infrage gestellt
wurde, und am aggressivsten, wenn es darum ging, vorgebliche amerikanische
Anrechte zu verteidigen. Um das Thema zu wechseln, fragte ich den Sergeant,
wie er gegen das amerikanische Militär kämpfen würde, wenn er ein
Aufständischer im Korengal wäre. Er hatte offenbar bereits darüber nachgedacht:
    »Ich würde
oberhalb von Vegas einen Schützen mit einem Low-MOA-Gewehr postieren und
einzelne gezielte Schüsse in den Unterleib abgeben lassen«, sagte er. »MOA
bedeutet >minute of angle<, Winkelminute - und bei einer niedrigen Winkelminute
verliert das Geschoss nicht mehr als zweieinhalb Zentimeter auf hundert Meter.
Jeder Schuss schickt einen Typen per Helikopter nach Hause. Wir würden voller
Frust einfach den Berg stürmen. Also platziert man seitlich ein paar Typen mit
Maschinengewehren. Der Gewehrschütze oben schießt weiter, und die
Maschinengewehre machen uns platt.«
     
    Battalion
Commander war Lieutenant Colonel Bill Ostlund. Er stammte
von Cherokee-Indianern ab, war geradezu unverschämt fit und hatte mit einer
Arbeit über die militärischen Niederlagen der Sowjets in Afghanistan und
Tschetschenien seinen Abschluss an der Fletcher School of Law and Diplomacy
gemacht. Ostlund sah einem direkt in die Augen, zerquetschte einem dabei die
Hand mit seinem festen Griff und startete gleichzeitig einen Vortrag über die
neuesten Entwicklungen an der Handelsschule in Asadabad. Er verfügte über so
viel uneingeschränkten Enthusiasmus für das, was er tat, dass ich in seiner
Gegenwart manchmal ein schlechtes Gewissen bekam, weil ich in meinem Leben kein
Anliegen von vergleichbarer Tragweite wusste. Er war nicht für den Krieg an
sich Feuer und Flamme, sondern für die Idee - eine wahrhaft radikale, wenn man
es bedachte -, dass Amerika letztlich hier war, um zu versuchen, ein Land wie
dieses wieder zusammenzusetzen. Nicht viele Nationen verfügen über die
Ressourcen, ein Projekt dieser Größenordnung in Angriff zu nehmen, oder auch
nur die Neigung, es zu versuchen. Und Ostlund war genau derjenige, dem man
diese Aufgabe anvertrauen würde: anscheinend immun gegen Kummer, weitaus
kenntnisreicher als die meisten Mitglieder des Press Corps, die auf der
Durchreise auftauchten, und in der Lage, ohne Unterbrechung fünfzehn Monate
lang täglich achtzehn Stunden zu arbeiten.
    Ostlund bezeichnete die Taliban
oft als »Schurken« und sprach von ihnen im Singular, wie zum Beispiel in »Wir
trieben den Feind in die Ecke und vernichteten ihn«. Die dritte Person Singular
gab dem Krieg einen leicht kavaliersmäßigen Anstrich, als bestehe kein Groll
und alles sei nicht viel mehr als eine außerordentlich gewalttätige
Rasensportart. Tatsächlich glaube ich nicht, dass Ostlund eine spezielle
Animosität gegenüber den Menschen empfand, gegen die er kämpfte, und ich weiß
mit Sicherheit, dass er wiederholt Anführern der Taliban zeitweilige Immunität
anbot, wenn sie mit ihm zu einer lokalen Shura zusammenkämen. (»Wenn sie ein
Treffen mit all meinen engen Freunden arrangieren, verspreche ich, dass sie
nicht in Gewahrsam genommen werden und dass

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