Junger, Sebastian
den
Aufständischen, verhielt sich jedoch nicht offen feindselig. Amerikanische
Soldaten der 10 th Mountain mieteten ein Wohnhaus von einem
einheimischen Lehrer und befestigten es mit mächtigen Zedernstämmen, die von
Einheimischen auf den oberen Hängen des Tals gefällt worden waren. Die Stellung
wurde nach Phoenix benannt, der Stadt in Arizona, und ihr Gegenpart war
Firebase Vegas auf der anderen Seite des Tals. Um die taktischen Probleme in
Phoenix zu erkennen, brauchte man leider nur den Kopf hinauf zum Table Rock zu
recken. Aufständische konnten Phoenix von dort aus ungehindert unter Beschuss
nehmen und brauchten nur die Rückseite des Kamms hinunterzurennen, sobald die
Amerikaner zurückschlugen. Ein Amerikaner wurde getötet, als ein
20-mm-Explosivgeschoss durch die schmale Öffnung seines Bunkers zischte und
detonierte; ein anderer starb, als er während eines Angriffs zu einem der
Maschinengewehrposten rennen wollte. Ein Soldat des KOP wurde erschossen, als
er an einem der Pissrohre stand. Ein amerikanischer Vertragsarbeiter wurde
verwundet, als er auf seiner Pritsche ein Schläfchen machte. Ein weiterer
Soldat strauchelte und ertrank, als er im Schutzanzug durch den Korengal waten
wollte.
In einer
kurzen Zeremonie ließ Captain Jim McKnight der 10th Mountain am 5. Juni im KOP
die Standarte seiner Einheit einholen, kletterte in einen Chinook und flog auf Nimmerwiedersehen
aus dem Tal. Umgehend wurde die Standarte der Battle Company gehisst. Zur
Stelle war dabei ein dunkler gut aussehender Mann samoanischer Herkunft namens
Isaia Vimoto: der kommandierende Sergeant Major der 173 rd und
höchster Unteroffiziersrang in der Brigade. Vimotos neunzehnjähriger Sohn
Timothy diente als Private First Class im 2 nd Platoon, und Vater
Vimoto fragte nach der Fahnenzeremonie First Sergeant Caldwell von der Battle
Company, wo sein Sohn sei. Caldwell führte Vimoto zur Abgrenzung und deutete
hinunter ins Tal.
»Da unten
in Phoenix«, sagte er.
Vimoto
hatte darum gebeten, seinen Sohn in der Battle Company einzusetzen, denn er und
Caldwell waren sehr gut befreundet. »Grüß ihn schön«, bat er Caldwell, bevor er
den KOP verließ. »Sag ihm, dass ich hier draußen war.«
Es war am
selben Tag zu Feindberührung gekommen, und der 2 nd Platoon meinte,
auf Hill 1705 eine feindliche Stellung entdeckt zu haben. Eine Gruppe von
fünfundzwanzig Mann, darunter zwei afghanische Soldaten und ein Dolmetscher,
verließ das drahtumzäunte Gelände von Phoenix am frühen Abend. Sie machten
sich nicht nur bei Tageslicht auf den Weg nach Süden, sondern marschierten
außerdem auf offener Straße. Das waren zwei Dinge, die sie nie wieder machen
würden - zumindest nicht gleichzeitig. Sie kamen an den Dörfern Aliabad und
Loy Kalay vorbei und überquerten eine Brücke über einen westlichen Zufluss des
Korengal. Sie kletterten durch den steilen Stechpalmenwald von Hill 1705 bis
zum Gipfel hinauf und traten dann den Abstieg auf der anderen Seite an.
Der Feind
hatte schon auf sie gewartet. Aus dreihundert Metern Entfernung eröffnete er
mit Maschinengewehren und Panzerfäusten das Feuer. Der Private Tad Donoho ließ
sich zu Boden fallen und robbte in Deckung, als er bemerkte, dass eine Reihe in
den Boden einschlagender Geschosse wie eine saubere gestichelte Naht immer
näher kam. Er rollte sich zur Seite und fand sich neben Private First Class
Vimoto wieder. Beide Männer erwiderten das Feuer. Im Kugelhagel spritzte um sie
herum der Sand auf, und dann sah Donoho plötzlich, wie Vimoto den Mund
öffnete, als wolle er etwas rufen. Es kam jedoch kein Ton hervor. Stattdessen
zuckte sein Kopf zurück und fiel wieder nach vorn. Danach bewegte er sich nicht
mehr.
Donoho
rief nach dem Sanitäter des Platoons, aber der Gefechtslärm war so stark, dass
niemand ihn hören konnte. Es gab nichts mehr zu tun: Das Geschoss hatte Vimotos
Kopf durchschlagen und den jungen Soldaten auf der Stelle getötet. Eben erst
erlebte er das erste Feuergefecht seines Lebens, und im nächsten Moment war er
tot. Donoho schoss alle zwölf Magazine leer, die er bei sich hatte, und zog
dann noch eins aus dem Munitionsgürtel seines toten Freundes. Das Geschützfeuer
war so stark, dass die Männer robben mussten, wenn sie sich bewegen wollten,
ohne getroffen zu werden. Sie befanden sich bei Nacht auf einem steilen
Gebirgskamm, wurden von Maschinengewehrgarben eingedeckt und wussten, dass die
MEDEVAC-Helikopter unter diesen Umständen niemals eine Landung
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