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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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'nem Infanteriemann, hm? Ich weiß,
dass alle Jungs, die in der Garnison Ärger gemacht haben, draußen im Kampf scheiß perfekte
Soldaten waren. Sie sind Radaubrüder und sie lieben den Kampf. Das ist eine
schlechte Eigenschaft fürs Garnisonsleben, aber eine gute für den Kampf draußen
- stimmt's? Ich bin ein beschissener Garnisonssoldat, aber was soll's? Okay,
ich muss meine scheiß Stiefel wienern. Warum sollte ich meine gottverdammten
Stiefel wienern wollen?«
    Am
Wochenende, bevor sie nach Afghanistan gingen, nahmen O'Byrne und drei weitere
Soldaten den Zug nach Venedig, um sich ein letztes Mal die Kante zu geben. Sie
tranken so viel, dass dem Speisewagen der Alkohol ausging. Mit O'Byrne unterwegs
waren zwei weitere Rekruten, Steve Kim und Misha Pemble-Belkin, sowie der
Gefechtssanitäter Juan Restrepo. Restrepo war in Kolumbien geboren, aber in
Florida aufgewachsen. Er hatte zwei Töchter mit einer Frau, von der er geschieden
war. Er lispelte leicht, putzte sich zwanghaft die Zähne und spielte klassische
und Flamenco-Gitarre, wenn die Männer in der Basis ein Grillfest schmissen. In
der Garnison trat er einmal morgens zum Training an, noch betrunken vom Abend
zuvor, aber schaffte es trotzdem, die zwei Meilen in zwölfeinhalb Minuten zu
laufen und hundert Situps zu machen. Damit konnte man beim 2 nd Platoon garantiert Eindruck schinden.
    Im
Zugabteil zog Restrepo eine kleine Kamera hervor und machte seine erste
Videoaufnahme. Die Männer waren so betrunken, dass sie kaum sprechen konnten.
Kim lehnte am Fenster. Pemble brabbelte irgendwas von einem Minizebra, das er
satteln wollte, um einen Ausritt zu machen. O'Byrne sagte, sein Job in Rom sei
es, zu verhindern, dass Restrepo Ärger bekam. »Kein Chance, bro«, sagte
Restrepo. »Die Bestie lässt sich nicht zähmen.«
    Draußen
vor dem Abteilfenster zog die herrliche italienische Landschaft vorüber. »Wir
lieben das Leben und ziehen in den Krieg«, sagte Restrepo, den Arm um O'Byrnes
Hals geschlungen. Sein Gesicht war so dicht vor der Linse, dass es aussah wie
mit Fischauge gefilmt. »Wir ziehen in den Krieg. Wir sind bereit. Wir ziehen in
den Krieg ... wir ziehen in den Krieg.«
     
    Das
Korengal-Tal ist so etwas wie das Afghanistan von Afghanistan: zu abgelegen,
um erobert werden zu können, zu arm, um sich einschüchtern zu lassen, zu
autonom, um sich kaufen zu lassen. Die Sowjets sind nie weiter gekommen als bis
zum Eingang des Tals, und die Taliban haben sich gar nicht erst hineingewagt.
Als die 10 th Mountain Division 2006 in das Tal einzog, dürfte sie
wohl die erste Truppe gewesen sein, die es bis zum südlichen Ausgang schaffte.
Sie war nur einen Tag lang dort, aber dieser Vorstoß verschaffte der 10 th Mountain die nötige Atempause, um den KOP auf dem drei Meilen weiter im
Inneren gelegenen Gelände eines alten Sägewerks aufzubauen. Das Sägewerk war
nicht mehr in Betrieb, weil die afghanische Regierung den Holzexport verboten
hatte, und zwar hauptsächlich deswegen, weil die Holzverkäufe der Finanzierung
des Aufstands zugutekamen. Arbeitslose Sägewerksarbeiter tauschten ihre
Kettensägen gegen Waffen und schossen auf die Amerikaner, verschanzt in Bunkern
aus riesigen Zedernstämmen, die sie nicht mehr verkaufen konnten.
    Sie wurden
unterstützt von arabischen und pakistanischen Kämpfern aus der Provinz Bajaur
auf der anderen Seite der Grenze und lokalen Milizen, die unter der Führung
Gulbuddin Hekmatyars standen, eines Veteranen des Dschihads gegen die
Sowjetunion. Ein Video, das Aufständische während eines Angriffs machten,
zeigt winzige Gestalten - amerikanische Soldaten -, die in Deckung rennen und,
geschützt von lädierten Sandsackwällen, versuchen das Feuer zu erwidern. Der
KOP ist von ansteigendem Gelände umgeben, und um einen Angriff zu führen,
brauchten die einheimischen Kämpfer nur auf der Rückseite der Anhöhen
hinaufzuklettern und dann mit ihren Maschinengewehrgarben das Gelände der Basis
weiter unten zu beharken. Dieses sogenannte Steilfeuer ist sehr schwierig
abzuwehren, und der Angegriffene findet kaum Deckung. Die einzige Möglichkeit,
diesem Problem vorzubeugen, bestand darin, das höhere Gelände mit kleinen
Vorposten zu belegen, aber dann wurden diese Posten ebenfalls leicht
verwundbar. Der Schlachtplan für das Tal glich einem taktischen Bockspringen,
das die Amerikaner schließlich im Frühling 2007 in das Dorf Babiyal brachte.
    Babiyal
lag ungefähr eine halbe Meile südlich vom KOP und stand in Verbindung mit

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