Junger, Sebastian
versteh ich.«
Murphy
beachtet ihn nicht und erzählt davon, wie sein Großvater ihm eine Eisenbahn
gebaut hat, als er klein war. Es lässt sich nur schwer sagen, ob es sich um
einen unangebrachten Versuch handelt, Eindruck zu schinden, oder um einen
eigentümlichen Anfall von Offenherzigkeit nach einem TIC.
»Mein
Großvater wurde bei einer Kneipenschlägerei erschossen«, sagt Moreno.
»Verdammt anderes Leben.«
Mefloquin-Träume
- die unwillkommenen Einblicke in die eigene Psyche, die von der
Malariaprophylaxe hervorgerufen werden, die hier jedem verabreicht wird. Der
Sanitäter verteilt die Pillen jeden Montag, und die erste Nacht ist immer die
schlimmste: Aus unerfindlichen Gründen zersäge ich jemanden mit der Handsäge;
ich drohe zu ersticken, weil ich vor Kummer und Reue über etwas schluchze, das
vor fünfundzwanzig Jahren endete; ich bereite mich auf den bewaffneten Kampf
vor, und die Männer um mich herum werfen einander Blicke zu, die zu bedeuten
scheinen: »Das wär's dann, Bruder, wir sehen uns im Jenseits.« Ich wache immer
auf, ohne mich zu bewegen, die Augen in der Dunkelheit weit aufgerissen. Um
mich herum schnarchen die Männer leise, und der Generator pocht dumpf, wie von
einem hektischen Herzschlag angetrieben. Zu den Nebenwirkungen von Mefloquin
gehören schwere Depressionen, Paranoia, Aggressivität, Albträume und
Schlaflosigkeit. Das sind auch die Nebenwirkungen des bewaffneten Kampfes. Ich
schlafe wieder ein, und als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich nervös und
verwirrt.
Es bleiben
noch zwei Monate Einsatzzeit, und die Männer denken sich alles Mögliche aus, um
das in Zahlen zu fassen: Anzahl von Patrouillen, Anzahl von KOP-Rotationen,
Anzahl von Montagsdosen Mefloquin. Es dämmert ihnen langsam, daß sie
wahrscheinlich nie wieder auf den Gipfel von Honcho Hill kraxeln oder auf den
Abas Ghar abspringen werden. Wenn sie unten im KOP sind, versuchen sie,
mithilfe der Gemeinschafts-Laptops für den Zeitpunkt ihrer Rückkehr Mädchen auf
zutun. Diejenigen, die feste Freundinnen haben, tragen ihnen auf, Bier und
Steaks und alles sonst einzukaufen, worauf sie im vergangenen Jahr Heißhunger
hatten. Die Männer werden zur Aviano Air Base fliegen, zwei Stunden lang mit
dem Bus nachVicenza fahren, ihre Waffen abgeben und dann auf dem Paradeplatz
Hoekstra Field antreten. Sobald sie entlassen sind, können sie tun, was sie
wollen. Sie werden umgehend anfangen sich zu betrinken. Das geht bis zur
Bewusstlosigkeit und wird sofort wieder aufgenommen, wann und wo immer die Männer
aufwachen. Sie finden sich auf Bahnhöfen wieder, irgendwo auf dem Gehsteig, in
Polizeiwachen oder gelegentlich auch auf einer Krankenstation. In den letzten
Jahren wurde ein betrunkener Fallschirmjäger von einem Zug überfahren und
getötet, ein anderer starb an einer Alkoholvergiftung. Sie hatten die Gefahren
des bewaffneten Kampfes unbeschadet überstanden und starben in Sichtweite ihrer
Kaserne inVicenza.
»In
Erinnerung bleibt ihr nur mit eurer allerletzten Handlung«, ermahnte Caldwell
sie eines warmen Frühlingsabends. Er war hinauf nach Restrepo gekommen, um
sicherzustellen, dass alle für die Heimreise in bester Verfassung waren, und er
verabschiedete sich von ihnen mit seiner eigenen Geschichte, weshalb er zu
trinken aufgehört hatte. (»Meine Kinder waren sauer, meine Frau hat nicht mehr
mit mir gesprochen ... und da hab ich ihr nur gesagt: >Keine Sorge, das wird
geregelt<, und seitdem habe ich keinen Tropfen mehr angerührt.«)
Mit dem
Sommer kommen die beiden Heimsuchungen Hitze und Langeweile. Eine schlechte
Weizenernte führt im Tal zu einer vorübergehenden Nahrungsmittelknappheit, und
daher hat der Feind keine Geldmittel, Munition zu kaufen. Die Angriffe finden
nur noch einmal die Woche oder alle zwei Wochen statt - nicht annähernd
ausreichend, um mit dem Scheißleben in den Stellungen zu versöhnen. Die Männer
schlafen so lange, wie sie können, und schlurfen dann furzend und sich kratzend
aus ihren fliegenverseuchten Hütten. Gegen Mittag ist es fast vierzig Grad
heiß, und der träge Lavastrom dieser surrenden Hitze scheint Restrepo ersticken
zu wollen. Hier oben existiert ein frappantes Antiparadies: Hitze und Staub und
Taranteln und Fliegen und keine Frauen und kein fließend Wasser und nie warmes
Essen und nichts zu tun, als zu töten und zu warten. Es ist so heiß, dass die
Männer in Flipflops und Unterwäsche herumlaufen, unrasiert und ungewaschen.
Airborne hechelt im Schatten,
Weitere Kostenlose Bücher