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Jussifs Gesichter

Jussifs Gesichter

Titel: Jussifs Gesichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Najem Wali
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beschloss Josef Karmali, sich dem Fälschen von Identitäten und Papieren zuzuwenden. Das war schließlich nicht verwerflicher, als die Namen des Herrschers auf seine Bilderrahmen zu gravieren. Damals bewahrte er kein einziges Bild, das er rahmen sollte, über Nacht in seiner Werkstatt auf. Einerlei, wie viele Bilder er erhielt, er rahmte sie alle auf einen Schlag und verlangte von den Lieferanten, sie vor Ladenschluss wieder abzuholen. Und wenn sie sich verspäteten, saß er da und wartete.
    Als Jussif die Ladentür öffnete, hörte er Josef Karmali rufen: »Jussif! Jussif Mani! Das ist ja nicht möglich!«
    Jussif zögerte zunächst einzutreten, weil er fürchtete, schon wieder eine Wahnvorstellung zu haben. Doch dann stellte er den kleinen Koffer auf den Boden und erwiderte: »Ja. Jussif aus Fleisch und Fett!«
    »Setz dich.«
    Jussif setzte sich und lehnte den Koffer an die Wand. »Du streifst also immer noch mit deinem Koffer umher.«
    »Ja. Der Koffer ist mein Zuhause, sonst habe ich keines mehr.
    Aber ich werde ihn aufgeben, sobald ich mich selber finde.«
     
    Es waren etwa fünfzehn Jahre vergangen, seit die beiden sich zum letzten Mal begegnet waren. Josef Karmali oder Josef K.war damals ohne Jussif ins Ausland gereist, obwohl dieser ihn ursprünglich begleiten wollte. Zwar hatten sie sich nur selten gesehen, eigentlich nur so oft, wie es nötig war, um die gefälschten Papiere abzuholen. Bei ihrer ersten Begegnung, vor der Abreise vor fünf Jahren, war Jussif im Auftrag Onkel ’Assims gekommen, wenn seine Erinnerung ihn nicht täuschte. Die wenigen Begegnungen hatten die beiden zu Freunden gemacht. Beim ersten Mal hatten sie noch nicht offen miteinander geredet. Bei der zweiten Begegnung hatten sie dann aber dieses gegenseitige Einvernehmen gespürt. Damals konnte ein kleiner Fehltritt, eine Verleumdung zum Tod führen. Doch bei jenem zweiten Mal erlangten sie beide die Gewissheit, den anderen zu verstehen, was auch immer geschehen mochte. Für Jussif waren die hundertfünfzig Dinar, die sein Freund für die Fälschung der Papiere verlangte, damals ein recht stattlicher Betrag, ein geringer Preis. Damals hatte Josef Karmali gesagt, er würde so lange fälschen, bis er das Geld beisammen habe, um sich einen alten Traum zu erfüllen: zur See zu fahren und um die Welt zu reisen. Danach wollte er einen großen Roman unter dem Titel »Auf der Suche nach andauernder Zerstörung« schreiben.
    Vielleicht sah Josef Karmali in der ersten Phase seiner Fälschertätigkeit eine Art Rache oder Rechtfertigung seiner selbst für das Malen der Regierungsrahmen. Er war stärker als dieser Staat, der ihn zu einer Tätigkeit zwang, der er freiwillig nie nachgegangen wäre. Mit der Zeit entwickelte er jedoch auch das Fälschen zu einer eigenständigen Kunst. Später beschloss er sogar, seine Arbeit auf diesem Gebiet auszuweiten. Er beschaffte sich mehr und mehr Fachbücher über das Fälschen, insbesondere englische Bildbände. Dabei kamen ihm seine vorzüglichen Englischkenntnisse zugute, die er in Amerika erworben hatte. Sein Vater, ein alter Freund Onkel ’Assims und ein berühmter Physiker, war nach dem berüchtigten blutigenMilitärputsch vom 8. Februar 1963 außer Landes geflohen, als Josef Karmali selber noch ein Junge war. Erst Anfang der Siebzigerjahre kehrte die Familie zurück, hatte aber inzwischen die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Als sie wieder in ihre alte Villa in ’Aiwadija ziehen wollten, wurde ihnen vom Staat auferlegt, auf die amerikanische Staatsbürgerschaft zu verzichten. »Es war die zweite Dummheit, die mein Vater beging. Sie war noch dämlicher als seine erste Dummheit, Kommunist zu werden!«, lautete sein Lieblingskommentar zu diesem Thema. Jussif fragte ihn eines Tages, warum er sich nicht einen amerikanischen Reisepass fälsche? Und die Antwort lautete: »Zurzeit brauche ich keine Staatsbürgerschaft, sondern Geld zum Reisen.« Das Reisen war sein Traum. Jussif wusste, dass dieser nichts mit seinem Wunsch zu tun hatte, sich aus dem Zwang der staatlichen Aufträge zu befreien. Vielmehr wollte er in die Fußstapfen der berühmtesten Maler der Welt treten und ihre Bilder erneut malen (bis er ihm seine gefälschten Papiere überreichte, vermied er damals den Begriff »Fälschen«). Er hatte die verrückte Idee, auf einem Dampfer von Basra aus loszufahren und alle berühmten Bilder, die es vom Meer gab, noch einmal zu malen und in den Häfen, die sie anliefen, zu verkaufen. Diese Idee

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