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Jussifs Gesichter

Jussifs Gesichter

Titel: Jussifs Gesichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Najem Wali
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Carvahlo.
    »Vielleicht wollte ich den Schwarzen, den Unterjochten, verteidigen, aus einem alten Prinzip heraus. Man muss dem doch mal ein Ende machen!« Erst jetzt, nach Jahren, konnte Jussif kommentieren, was damals geschah.
    In jener Nacht also erhob er sich von seinem Platz und ging auf den schwarzen Dichter zu, der eine dicke Brille trug und aus dessen Mund es eklig sabberte. »Lass uns zusammen von hier verschwinden und nach einem anderen Ort suchen, um zu trinken. Du kannst dir etwas aussuchen«, schlug er ihm vor, während er ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte. Es sei schließlich egal, wo er sich befände. Hatte Ahmad – so hieß der Mann, wie er später erfuhr – diesen Schritt von ihm, Josef Karmali, den man dort als Weißen betrachtete, erwartet? So verlief alles Weitere friedlich. Sie verbrachten die Nacht gemeinsam und tranken viel. Es war eine schöne Nacht: Ein schwarzer Dichter trug seine Verse in der Nacht von Abu Dhabi vor. Er brachte ständig seine schmutzige Kufija in Ordnung, während poetische Worte über seine dicken Lippen kamen und den Sprühregen aus Speichel und den fauligen Geruch aus seinem Mund überdeckten. Obwohl der Dichter eine so hässliche Type war, fehlte es der Szene nicht an Romantik. Geschah dasUnglück in derselben Nacht oder erst später in Basra? Er erinnerte sich nicht, wusste aber noch, dass sie sich im Morgengrauen umarmt und verabschiedet hatten. Und als der Dichter ihn nach seinem Namen fragte, nannte Josef Karmali sich Jussif, weil der Dichter Muslim war.
    Am nächsten Tag stach das Schiff in Richtung Basra in See. Warum auch nicht? Nach Basra, ja. Es war nur natürlich, dass man vor diesem Ort Angst hatte. Der Krieg war zwar zu Ende, aber es gab Anzeichen für einen neuen. Unruhe lag in der Luft und erregte die Gemüter mehr als die Angst, die der Krieg selbst hervorrief. Und gab es überhaupt einen Menschen, dem es nicht davor graute, einen Ort aufzusuchen, dem er vor vielen Jahren den Rücken gekehrt und sich geschworen hatte, nicht mehr dorthin zurückzukehren? Warum fürchtet man sich überhaupt noch, wenn man den Namen öfter wechselt als die Kleider?
    Ihr Schiff fuhr unter liberianischer Flagge, wie alle Schiffe, die Schmuggelware geladen hatten. Basra glich damals einer Geisterstadt. Den Hafen, den er gekannt hatte, gab es nicht mehr. Die Palmen, deren Hain die Zufahrt zum Schutt ul-’Arub markierte, waren verbrannt. Die kleinen Dörfer und die Stadt selbst waren bei den Kämpfen in Schutt und Asche gelegt worden. Die Watani-Straße – früher unter Seeleuten berühmt für die Schönheit ihrer Nächte und die leuchtenden Lichter von Bars und Restaurants – hatte ihren Glanz verloren. Die Lieder von Seeleuten, die aus allen Winkeln der Erde an die Luft der Corniche kamen, waren nicht mehr zu hören. Die Klänge der hölzernen Trommeln waren verstummt, Mary und Matilda hatten ihre Bars geschlossen, und Onkel Suarez – wie sein Vorfahre ein Nachfahre von Vasco da Gama – war ausgewandert. Das Vergnügungsviertel, früher voll von Zigeunern und Prostituierten, hatte dichtgemacht. Die Baschar-Straße mit ihren ehemals vielen Bordellen hatte sich in einen Markt für Eisenteile und Möbel verwandelt. Die Verliebten, die durch denMagha’iz-Markt spazierten, waren verschwunden, und auf dem Hanna-Schaich-Markt stapelten sich die Sandsäcke. Tuman, der Schwarze, der mit der Nase auf der Flöte spielen konnte, war gestorben. Und auch ’Abbas, der Inder, der berühmteste Samosa-Verkäufer, war vor Kummer zugrunde gegangen, nachdem ’Abbas, der glatzköpfige Poet mit dem dichten Schnurrbart und einem Schädel so platt wie eine Birne, seinen kleinen Imbiss beschlagnahmt und zu einem Geschäft für gepantschten Arrak und zu einem Treffpunkt für zehntrangige Dichter gemacht hatte ... Ganz Basra, al-’Aschar, die Kuwait-Straße, al-Tamimija, al-Sa’i, al-Mina’, al-Ma’qal, al-Dschumhurija, al-Asma’i, Chamsa Mil, al-Chandaqa, Nahir al-Lail, Suq al-Dadschadsch, al-Qaschl, Mahalla al-Bascha, al-Mahkama, al-Sabcha, al-Sif, Maqam ’Ali, Hay Dschaza’ir, al-Tanuma: alles nur Sand und Schrott, ein Schiffsfriedhof, die Hafenmauer vom Salz zerfressen. Das Sif – jetzt nur noch ein Sumpf – war voller Bootsskelette und rostiger Anker, aus denen es im Winter klagte: »Basra ist Schmerz und Kummer aller Seeleute« – so jedenfalls behauptete es Luìs Carvahlo, der sich weigerte, wieder an Bord zu gehen. Um der Szene den Rest zu geben, suchte der Tripper

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