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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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gemerkt, wohingegen andere Leute lieber wegsahen und so taten, als wäre nichts passiert. Genau wie ich heute Abend Emily gegenüber. Immer noch, bis jetzt.
    Owen hielt mir nach wie vor geduldig seine Hand hin.
    »Ich   … äh   … muss mal kurz weg.« Ich rutschte ans Ende der Bank, stand auf. »Bin gleich wieder da.«
    »Warte mal.« Er ließ die Hand sinken, blickte zur Bühne. »Aber die Band kommt jede Sekunde raus.«
    »Ich weiß. Ich komme wirklich sofort zurück.«
    Ich ging los, bevor er noch etwas sagen konnte. Doch vor allem, weil ich es nicht ertragen hätte, schon wieder zu lügen. Und plötzlich war da auch dieser sattsam bekannte, bittere Geschmack in meinem Mund. Mir kam es unaufhaltsam hoch. Ich musste schleunigst raus.
    Mittlerweile herrschte ein fürchterliches Gedränge. Bei dem Versuch, den Ausgang zu erreichen, kam ich kaum vorwärts, stieß ständig gegen irgendwen, musste mich regelrecht durchquetschen. Inzwischen hatten
Truth Squad
ihr Set mit einem Song angefangen, in dem irgendwas mit Kartoffeln vorkam und den offenbar ziemlich viele im Publikum bereits kannten. Jedenfalls wurde lauthals und begeistert mitgesungen.
    Ich zwängte mich weiter durch die Menge. Alle blickten wie gebannt nach vorn zur Bühne, sodass ich immer nur das Profil von den Leuten sah, an denen ich vorbeikam. Einige Leute drehten sich kurz angenervt um, wenn ichmich an ihnen entlangschob, andere ignorierten mich völlig. Endlich wurde es marginal leerer. Ich war schon fast an der Tür, als mich jemand am Arm festhielt.
    »Annabel!« Rolly, die Arme voller Wasserflaschen, strahlte mich an. »Ich hab’s geschafft.«
    Ich sah ihn verständnislos an. »Bitte?« Lauter Jubel und Applaus ertönten.
    »Geschafft!« Er hielt eine der Flaschen hoch. »Ich bin sogar schon unterwegs, um ihr was zu trinken zu besorgen. Es funktioniert! Endlich ist es wirklich passiert! Lass dir das einfach mal auf der Zunge zergehen.« Vor lauter Glück war er ganz rot im Gesicht.
    »Super«, bekam ich gerade noch heraus. »Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht   –«
    Er unterbrach mich: »Hier.« Er steckte eine Flasche in seine Hemdtasche, klemmte sich eine zweite unter den Arm und gab mir die beiden übrigen. »Für dich und Owen. Richtest du ihm bitte aus, er hatte recht. Mit allem. Okay?« Ich nickte. Rolly hob ausgelassen den Daumen, drehte ab, verschwand in der Menschenmenge.
    Ich wünschte plötzlich, ich hätte daran gedacht, Owen ebenfalls etwas ausrichten zu lassen. Von mir. Ich ließ meinen Blick über die Leute wandern. Mir war vollkommen bewusst, dass er auf der anderen Seite des Raums auf mich wartete. Doch der Abstand schien einfach zu groß. Unüberbrückbar. Uns trennte zu viel. Deshalb ging ich   – mit schweißnassen Händen und einem mehr als üblen Geschmack im Mund   – weiter Richtung Tür.
    Die kalte Luft, die mich draußen umfing, empfand ich wie einen Schlag ins Gesicht. Kies knirschte unter meinen Füßen, als ich durch die Tür trat und das Gebäude hinter mir ließ. Es war mir nur zu vertraut, das Brennen in derKehle, das Blubbern im Bauch. Ebenso wie die Tatsache, dass ich nie genug Zeit hatte zu fliehen. Ich schaffte es kaum bis zu meinem Auto, bevor ich in die Knie ging. Ich ließ die Wasserflaschen los   – sie fielen hin, platzten auf, der Inhalt ergoss sich über den Boden   –, strich mir mit beiden Händen das Haar zurück. Doch als sich nun mein Magen zusammenkrampfte, mein ganzer Körper anfing zu würgen, kam nichts hoch. Alles, was ich hörte, war das rasselnde Geräusch meines eigenen Atems, mein Herz, das in meinen Ohren pochte. Und   – in einiger Entfernung   – Musik. Kaum hörbar. Und dennoch erklang sie weiter.

Kapitel 15
    »Also gut«, sagte meine Mutter und zog einen Einkaufswagen aus der Reihe, die vor den automatischen Türen stand. Stellte ihre Tasche in das vordere Ausklappfach, kramte ihre Liste hervor, faltete sie auseinander. »Dann wollen wir mal.«
    Supermarkt, zweite Dezemberwoche. Ich half meiner Mutter beim Einkaufen der Lebensmittel, die sie für Kirstens Willkommensabendessen brauchte. Denn Kirsten kam nach Hause. Nicht, dass ich deswegen vor lauter Begeisterung Hurra geschrien hätte. Aber da meine Mutter in bester Vorweihnachtslaune war, lächelte ich tapfer zurück, als sie mich nun anstrahlte, während sie den Einkaufswagen Richtung Tür   – die glitt brav beiseite   – schob. Schließlich ging es im Grunde bloß noch darum, Haltung zu bewahren.

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