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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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vielleicht ein bisschen älter –, mit einer gesunden Gesichtsfarbe und einem runden Bauch. Er hörte der Museumsleiterin zu und ließ seinen Blick über das Publikum schweifen. Milan zweifelte daran, dass er sich tatsächlich für das neue Öffentlichkeitsprogramm des Museums interessierte. Noch weniger für die Jugendarbeit in den Townships, auch wenn er einen interessierten Eindruck machte.
    Bevor Peter Kriel das Wort ergriff, sprachen die Bürgermeisterin und der Kommunikationsminister aus Pretoria. Irgendwann hörte Milan nicht mehr zu. Die Worte, die durch den Saal schwebten, kamen ihm unbedeutend und überflüssig vor. Das Einzige, was zählte, war der Mann am rechten Ende des langen Tisches, der Mann, der Zenis Vater und Großvater getötet hatte. Milan starrte ihn die ganze Zeit über an, während sich die Stimmen der Redner in seinem Kopf zu einem monotonen Brummen verwandelten.
    Als Peter Kriel endlich aufstand und nach vorne zum Rednerpult trat, wachte Milan aus seinem Trancezustand auf und war ganz Ohr.
    »Ich fühle mich geehrt, hier heute Abend eingeladen zu sein«, fing Kriel an, sichtlich gerührt. »Als das District Six freigeräumt wurde, war ich gerade in die Polizei eingetreten. Mein Vater war auch Polizist. Er hat vierzig Jahre dieser Stadt gedient und er überwachte die Räumung dieses weltberühmten Viertels. Heute Abend spreche ich für ihn und in seinem Namen ...«
    Peter Kriel schaute kurz hoch, zur Galerie, und für einen flüchtigen Moment hatte Milan das Gefühl, dass er ihm geradewegs in die Augen schaute. Doch Kriel redete unbeirrt weiter. Er sprach von der Pflicht und dem Staat, von dem Irrtum des Apartheidsystems und der Ignoranz des ›kleinen Mannes‹. Vermutlich meinte er damit seinen eigenen Vater. Vielleicht sogar sich selbst. Er bat um Verständnis, Toleranz und Vergebung. Er zitierte aus der Bibel das Gebet Jesu am Kreuz: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Er hoffte, dass die Menschen auch ihm und seinem Vater vergeben konnten für das, was sie getan hatten: dabei zu sein und dem Unsinn der Zwangsumsiedlung nicht zu widersprechen. Kriel sagte nichts von Mord.
    Durch Pathos und glaubwürdiges Bedauern forderte er das Publikum auf, nach vorne zu schauen, und sein rührender Auftritt verschaffte ihm Respekt. Nur eine Person im Publikum wurde nicht mitgerissen und das war Milan. Er wusste, was der Mann am Rednerpult wirklich getan hatte.
    Nach Kriels Vortrag wurde die Pause angekündigt. Die Ehrengäste verließen das Podium und zogen sich in den Hinterraum zurück. Das Publikum stand auf und vertrat sich die Beine. Überzeugter denn je schlüpfte Milan nach unten und machte sich auf den Weg zur Herrentoilette. Im Flur davor liefen Zuschauer hin und her, eine kleine Warteschlange hatte sich bereits vor der Damentoilette gebildet. Milan wartete auf der anderen Seite des Vorhangs. Er hatte nicht vor, die Waffe sofort zu holen. Er wollte warten, bis sich das Gedränge etwas gelegt hatte, damit er in aller Ruhe die Pistole aus dem Versteck holen konnte.
    Immer wieder sah er zur Tür am Ende des Flurs. Dahinter stand jetzt Peter Kriel. Er sprach sicherlich mit der Museumsleiterin, ließ sich zu seiner mitreißenden Rede beglückwünschen und nahm die Komplimente mit Bescheidenheit an. Aber in zehn Minuten, wenn die Pause vorbei war und die Ehrengäste wieder das Podium betraten, war seine Zeit um.
    Milan wartete in angespannter Haltung, den Blick auf die Tür zur Herrentoilette gerichtet. Noch strömten Männer hinein und wieder heraus. Danach holten sie sich etwas zu trinken und unterhielten sich im großen Saal. Das Buffet sollte erst im Anschluss eröffnet werden, aber bis dahin würde Milan schon längst weg sein.
    Milan wartete geduldig. In regelmäßigen Abständen blickte er auf die Uhr, damit er die Zeit nicht aus den Augen verlor. Der Andrang auf der Toilette wurde weniger. Langsam gingen die Zuschauer wieder zu ihren Plätzen zurück. Vier Minuten vor dem Ende der Pause betrat Milan die Herrentoilette. Das Urinal war noch belegt, die Kabine auch.
    Kein Grund zur Panik , sagte sich Milan und wartete geduldig. Doch mit jeder Sekunde wurde er nervöser. Nur mit großer Mühe konnte er die in ihm aufsteigende Panik unterdrücken. Er brauchte weniger als eine Minute, um das Gitter abzumontieren und die Waffe herauszuholen. Die drei Minuten, die noch blieben, waren ausreichend. Dennoch durfte er keinesfalls Kriel in der Passage vor der Toilette

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