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Kombination, die es ihnen erlaubt, wort- und vertraglos durchs Tor zu gelangen. Serge, der sich ganze Nachmittage damit begnügt, den Ball in hohem
Bogen über das Rasternetz hin und her fliegen und zwischen weißen Linien aufschlagen zu sehen, erhält eines Tages den Auftrag, einige dieser Zivilkleider unter seinen eigenen ins Lager zu schmuggeln, doch ist er zu faul, sein Hemd auszuziehen, weshalb er sich die Sachen einfach überstreift, eine Unterlassung, die am Tor zu seiner Verhaftung führt und ihm zwei Wochen sister lose Einzelhaft einbringt.
Die ersten Tage sind grässlich, nur Anfälle und Fieberattacken, am fünften klingen sie ab, lassen ihn wach und alert zurück. Ihm fällt auf, dass zwei Venen an seinem Unterarm zu flachen Tunneln kollabiert sind. In der zweiten Woche fühlt er sich sogar ziemlich gut: unverwüstlich, genügsam – und es hat seine Vorteile, allein zu sein. Die letzten drei Tage seiner Haft verbringt er mit Masturbieren. Wenn er sich befriedigt, und nur dann, trieft ein Geruch aus den Zellenwänden, aus Boden und Decke, erdig, schwefelig, alt, zugleich auch frisch. Obwohl er anfangs immer versucht, sich Cécile vorzustellen – ihren Rücken, die Jalousie, die Messingknäufe an ihrem Bettgestell, schwankende Schatten an der Wand und aufgeschlagene Eierschalen –, weichen diese Bilder bald neuen, den Innenansichten von Tunneln, von Obst und Gemüse, das in die Erde zurückkehrt, von Dosen, durch Schnüre verbunden…
Als es wieder Herbst wird, werden die Wachen nachlässiger. Sie fangen an, ohne Uniform umherzulaufen, in Zivil. Sie machen sich nicht mehr die Mühe, die Ehrenwortkarten der Gefangenen zu prüfen, und weisen sie bloß an, sie aus den Brieffächern neben dem Wachhäuschen zu holen und hinterher dort auch wieder abzulegen. »Die Ehrenwortkarte stempeln«, nennen es die Amerikaner. Und während die Männer durch das Dorf bummeln, kommen die Bewohner und flüstern ihnen, wenn niemand sie hören kann, ins Ohr: »Da Kaiser is hi… «
Bald tragen auch die Offiziere Zivil und lassen sich immer seltener im Lager blicken, bis sie sich schließlich vollständig zurückziehen und nur eine stetig abnehmende Anzahl von Wachen dalassen. Ende Oktober wird von irgendwem entschieden und von Mann zu Mann weitergegeben, dass der Fluchtplan nun in die Tat umgesetzt werden soll. Zwei wie ortsansässige Kaufleute gekleidete Gefangene spazieren mit hochgeschlagenem Kragen und verdecktem Gesicht einfach zum Tor hinaus. Niemand hält sie auf, und ihre Abwesenheit bleibt auch in den nächsten Tagen unbemerkt. Zwei weitere Männer gehen als Köche verkleidet; drei, die Mülltonnen hinter sich herziehen; vier, die sich überhaupt nicht verkleidet haben. Dann folgt der Exodus: Männer gehen nach Belieben, da den restlichen Wachen schlicht nichts mehr daran liegt, ob sie bleiben oder nicht.
Serge zieht mit einem weiteren Gefangenen los, einem Piloten der 55. Staffel namens Hodge. Sie bleiben auf Landwegen und offenem Feld, schlafen in Gräben und stibitzen alles Nötige von den an Hügelrändern klebenden Gehöften: Eier, Hühner, auch Futtermais. Manchmal sehen sie auf den Straßen im Tal Truppen von der Front fortmarschieren. Als sie eines Tages an einem bewaldeten Abhang sitzen, zuschauen, wie ein Bataillon Infanterie über einen Fluss setzt, und darauf warten, dass die Soldaten verschwinden, damit sie selbst in umgekehrter Richtung weiterziehen können, taucht ein britisches Flugzeug auf, eine SE5, und nimmt die Soldaten unter Beschuss. Sie spritzen auseinander, suchen nach Deckung, einige ducken sich unter den Brückenpfeiler am Ufer, andere werfen Rucksack und Gewehr ab und stürzen sich ins Wasser; die Mehrzahl aber klettert auf ebenjenen Hang, auf dem Serge und Hodge sitzen.
Den Soldaten, die sie mit ratlosem Blick umstellen, sagt Hodge: »Inglisch Offiziier!«, was angesichts der Geschehnisse auf der Brücke vielleicht ein bisschen unklug ist. Da sie keine
Gewehre mehr haben, die sie auf sie richten könnten, stehen die Soldaten einfach nur reglos da. Die SE5 sucht neue Beute, und das Dröhnen ihrer Motoren verklingt. Ein Feldwebel, ein Arm blutüberströmt, gesellt sich zu ihnen.
»Wer sind die denn?«, bellt er seinen Männern zu.
Die Männer wiederholen, was Hodge gesagt hat. Der Feldwebel tritt vor Hodge hin und streift mit dem unverletzten Arm seinen Mantel ab, dann zerrt er den Pullover hoch und zieht ihm das Hemd aus der Hose.
»Das ist aber keine englische Uniform!«, knurrt
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