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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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hinauf- und hinabeilen, bis sie schließlich zu einem kleineren Gebäude kommen. Neben dem Eingang hängt eine Plakette mit dem Namen FILIP sowie einer Reihe Abkürzungen. Die Sprechstundenhilfe führt sie in ein Wartezimmer. Dort sitzen bereits mehrere Patienten; die meisten halten Gläser in der Hand, halb voll mit einer dunklen, seidigen Masse, Gläser genauso groß wie die, in denen Bodner in Versoie den Honig aufbewahrt, und mit den gleichen, bronzefarbenen Schraubdeckeln. Nach wenigen Minuten wird Serge aufgerufen.
    »Soll ich mitkommen?«, fragt Clair.
    »Nein«, antwortet Serge.
    Dr. Filip ist ein kleiner Mann mit ungekämmtem, weißem Haar und struppigem Bart. Durch eine schmale Stahlbrille
fixiert er Serge mit missbilligendem Blick. Um ihn herum sind Tische, Tabletts und Laufbänder wie Musikinstrumente eines fremdländischen Orchesters angeordnet. Serge sieht Schläuche, Pumpen, Zylinder und an Kurbeln befestigte Skalen, aus denen Kabel zu schwarzen Gehäusekästen führen. Am seltsamsten aber kommt ihm eine große Maschine vor, die eine ganze Bank einnimmt. Drähte und Zahnräder verbinden Teile, die aussehen, als gehörten sie zu Druckerpressen, Brauapparaten oder Spielzeugeisenbahnen. Im Mittelstück, einer Kuppel ähnlich denen der Springbrunnenpavillons, verläuft ein Kupferkabel von der Spitze über eine spiralförmige Wendeltreppe seitwärts hinab zu einer damit verlöteten Sicherung.
    »Karrefax mit K, nicht mit C«, sagt Dr. Filip. »Setzen.«
    Instinktiv blickt Serge sich nach seinem Vater um, ehe er begreift, dass mit »Karrefax« er selbst gemeint ist, und befolgt dann Dr. Filips Anweisung.
    »Bericht vom englischen Arzt nennt chronische Magen-Darm-Probleme«, fährt Dr. Filip fort. Er spricht in abgehacktem Ton, und seine Stimme scheint aus einer winzigen, unter dem Schnauzbart verborgenen Öffnung zu kommen. »Bitte beschreiben.«
    Serge schiebt die Hände unter die Oberschenkel und windet sich unbehaglich auf seinem Stuhl. »Das ist, als hätte ich einen großen Ball in meinem Bauch«, sagt er. »Einen Ball aus Dreck.«
    »Warum sagst du ›Dreck‹?«, fragt Dr. Filip.
    »Na ja, weil der Ball dunkel ist. Jedenfalls kommt er mir so vor.«
    »Leidest an Verstopfung?«
    Serge läuft rot an und nickt.
    »Und an Lethargie?«
    »Ja«, antwortet Serge. »Sehr.«
    »Kopfschmerzen?«

    »Auch.«
    »Bitte auf den Tisch legen.« Brüsk erhebt sich Dr. Filip und deutet dabei auf eine Art Klapptrage, die auf einem komplizierten Rahmen verbundener Metallstreben steht. Sie erinnert ein bisschen an ein mehrfach unterteiltes Bügelbrett, dessen mit Scharnieren befestigte Abschnitte abrupt steigen und fallen. »Erst ausziehen Schuhe und Hemd.«
    Serge streift Hemd und Schuhe ab und klettert auf den Tisch. Dr. Filip presst seine Schultern auf die flanellbedeckte Oberfläche mit eisigen Händen, die dann zu Serges Bauch wandern und ihn abklopfen, als prüfe er eine Kiste oder eine Wand auf hohle Stellen. Serge will etwas sagen, doch Dr. Filip fällt ihm ins Wort: »Pssst …«
    Er hält eine Hand über Serges Bauchmitte, klopft noch einige Male – so sanft, als drehe er an einer Skala –, senkt den Kopf und horcht.
    »Nicht gut«, sagt er nach einer Weile. »Eine Blockierung. Stagnierend. Leidest an Autointoxikation. Haut ist dunkel, Augen auch. Du siehst gut? Oder nicht?!«
    »Nicht«, antwortet Serge. »Nein, meine ich, irgendwie ist es…«
    »Wie?«, fragt Dr. Filip ungeduldig.
    »Pelzig.«
    »Was das heißt?«
    »Pelzig. Wie Pelz. Wie Tierhaar. Kleine Haare. Es ist, als ob…«
    Er verstummt. Es ist schwer zu beschreiben. Pelz ist nicht ganz richtig. Eher gleicht es winzigen Fäden. Am nächsten käme noch eines der Seidentücher seiner Mutter – eines der wirklich feinen, dunklen –, das, direkt vor die Augen gehalten und straff gespannt, die Welt wie mit Gaze verdeckt, mit dunkler Gaze, melierter Seide. So ist es schon seit Monaten. Als es anfing, versuchte er, ein Loch hineinzublinzeln oder
es wegzuwischen, den Schleier aufzukrempeln, doch das hat ihn nur tiefer verankert, ihn unter der Augenoberfläche selbst festgesetzt. Serge wollte es abwaschen, doch wurde das Fadengespinst dadurch nur fleckig und verlaufen, bedeckte alles mit Gaze, ehe er es auch nur ansah.
    Dr. Filip sagt: »Bitte eine Probe.«
    »Probe von was?«, fragt Serge.
    »Stuhl«, erwidert Dr. Filip. Seine kalten Hände ziehen Serge an den Schultern hoch und schieben ihn zu einem niedrigen Thron mit einem Loch im Sitz und einem

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