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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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ihn. »Wie ich
sehe, bist du heute gut bei Stimme. Sarah schickt dir ein kleines
Stärkungsmittel.«
    »Gott sei Dank gibt es wenigstens eine
Frau auf dieser Welt, die noch einen Funken Mitgefühl im Leib hat«, knurrte
Jem.
    »Sie brauchen mich gar nicht so
anzustarren«, sagte die diensthabende Krankenschwester. »Wenn ich noch
Mitgefühl im Leib hätte, würde mir das von den Patienten todsicher schleunigst
ausgetrieben. Haben Sie übrigens heute morgen schon Wasser gelassen?«
    »Wie überaus taktvoll von Ihnen, diese
Frage im Beisein von Besuchern zu stellen. Selbstverständlich habe ich das.
Glauben Sie vielleicht, ich bin ein gottverdammtes Kamel?«
    »Soll das heißen, daß Kamele kein
Wasser lassen?«
    »Woher soll ich das wissen? Es ist
lediglich eine Redensart. Und jetzt verschwinden Sie endlich.«
    Die Krankenschwester ging, drohte
jedoch, bald wiederzukommen, um ihn mit weiteren Erniedrigungen heimzusuchen.
Jeremy Kelling erwiderte: »Pah!« und widmete sich seinem Eggnog. Max Bittersohn
schaute ihm zu, bis Jems Stimmung sich allmählich zu bessern schien, öffnete
dann einen großen Umschlag aus Manilapapier und zog daraus das Gruppenfoto
hervor, das er aus Jems Album genommen hatte und das die Brüder vom Club des
Geselligen Kabeljaus zeigte.
    »Was ist denn das?« wollte der
Allerwerteste Fischkopf wissen. »Eine Karte mit Genesungswünschen von meinen
alten Saufkumpanen? Das ist aber nett von den alten Halunken! Wie war übrigens
die Party? Hast du auch allen meine herzlichsten Grüße und besten Wünsche für
einen scheußlichen Abend ohne mich ausgerichtet? Und haben sie auch alle unter
dem Tisch gelegen, nachdem sie ihren Spaß hatten? ›Und wer zuletzt vom Stuhle
fällt, soll unser König sein‹, wie es der Dichter Burns so trefflich in Worte
gekleidet hat. Bestimmt ging mal wieder alles drunter und drüber, und es gab
eine Riesenschlemmerei, kann ich mir vorstellen.«
    »Drunter und drüber ja, Schlemmerei
nein«, korrigierte ihn Max. »Du hast offenbar noch keine Nachrichten gehört.«
    »Spielst du etwa auf die abscheuliche
Flimmerkiste da an?«
    Jem knurrte wütend das Fernsehgerät an,
das man in der Annahme vor seinem Lager aufgestellt hatte, ihn damit
aufzuheitern, wo er es doch viel mehr genoß, sich nach Kräften aufzuregen. Dann
sah er Max an, und seine Miene, die eben erst begonnen hatte, sich ein wenig
aufzuhellen, verdüsterte sich wieder.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Soweit ich weiß, war ich der einzige,
der noch aufrecht stehen konnte«, sagte Max. »Die übrigen Gäste mußten allesamt
ins Krankenhaus eingeliefert werden.«
    »Warum das denn, um Gottes willen?«
    »Verdacht auf Arsenvergiftung. So
lautete jedenfalls die Diagnose, als sie anfingen, die Krankenwagen zu beladen.
Hier, lies selbst, ich habe dir die neueste Ausgabe des Globe mitgebracht.«
    »Verdammtes demokratisches Käseblatt.«
Jem hielt die Zeitung auf Armeslänge von sich und kniff die Augen zusammen.
»Beim großen Joschafat! Mord im
Okzidentexpress. High-Society-Gäste in Luxuszug liessen sich vergifteten Kaviar
schmecken, während der Champagner in Strömen floss. Drei Tote, fünf Personen
schweben in Lebensgefahr.«
    Er las weiter, wobei ihm die Augen fast
aus dem Kopf traten. »Von Arsen steht hier aber nichts. Die schreiben von — was
zum Henker ist denn das für ein Zeug?«
    Max schaute ihm über die Schulter.
»Colchicin? Davon habe ich auch noch nie gehört.«
    »Das wird zur Behandlung von Gicht
verwendet«, informierte sie die Krankenschwester, die zurückgekehrt war, um Jem
ein Thermometer in den Mund zu stecken und den Blutdruck zu messen. »Ist das
nicht eine seltsame Geschichte mit diesen Leuten in dem Zug? Kennen Sie
vielleicht zufällig einen von ihnen?«
    Jem riß sich das Thermometer aus dem
Mund. »Wenn ich mir nicht meine verdammte Hüfte zertrümmert hätte, wäre ich
auch in diesem Zug gewesen. Aber so war ich gezwungen, diesen einfältigen
Knaben hier als meinen Stellvertreter zu schicken.« Er wies mit dem Thermometer
verächtlich auf Max. »Und Sie sehen ja selbst, was dabei rausgekommen ist.«
    Die Krankenschwester nahm ihm das
zerbrechliche Instrument ab und plazierte es wieder unter seiner Zunge. »Das
ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was Ihnen hier alles blüht, wenn Sie
sich nicht ruhig und gesittet verhalten. Sie sollten wirklich froh sein, daß
Sie nicht dabei waren. Colchicin kann eine verheerende Wirkung haben, wenn man
zuviel davon nimmt.«
    »Warum?« fragte

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