Kabeljau und Kaviar
Gibt es noch jemanden
in eurem Club mit einer derartigen Ausbildung?«
»Würde mich nicht wundern«, meinte Jem.
»Die meisten von uns haben immerhin den Zweiten Weltkrieg mitgemacht. Einige
Veteranen waren sogar schon beim Ersten Weltkrieg dabei. Hast du gesagt, Wouter
stand am Schaltpult, als es passiert ist?«
»Ich nehme an, daß er dort war. Bis es
geschah, sind wir ganz ruhig und gemütlich gefahren, aber dann wurde der Zug
auf einmal immer schneller und kam dann plötzlich zum Stehen.«
»Und alle sind durcheinandergewirbelt
und ordentlich auf die Nase gefallen, was?«
»Genau. Einige sind böse gestürzt,
überall lag zerbrochenes Glas herum. Tom Tolbathy und ich sind nach vorne, um
zu sehen, was passiert war, und haben Wouter tot auf dem Boden gefunden.«
»Mein Gott, ein schwerer Schlag für
Tom. Er und Wouter waren — ich kann mir den einen gar nicht ohne den anderen
vorstellen. Das ist, als würde man Wermut ohne Gin trinken. Verdammt, Max, wenn
ich dieses Schwein je zu packen bekomme, das den armen Wouter umgebracht hat — «
»Du könntest mir vielleicht helfen, ihn
zu finden.«
»Wie denn?«
»Jem, Wouters Tod war nicht der erste
Zwischenfall an diesem Abend. Vorher ist auch noch deine Silberkette aufgetaucht.«
»Was? Die Große Kette? Gütiger
Herrgott, und wo ist sie jetzt?«
»Keine Ahnung. Die Kette ist wieder
verschwunden. Und mit ihr der Mann, der sie getragen hat.«
Max beschrieb den denkwürdigen Auftritt
des Sommeliers, der eigentlich gar nicht existierte. »Ich schließe daraus«,
fuhr er fort, »daß der Mann entweder zu eurem Club gehört oder der Komplize
eines Clubmitglieds ist. Jedenfalls ist es so gut wie sicher, daß er einer der
Partygäste gewesen sein muß. Deshalb habe ich auch das Foto mitgebracht. Einige
der Männer auf dem Bild könnten aufgrund ihrer Größe und Erscheinung
möglicherweise als Sommelier aufgetreten sein. Von dir möchte ich alles
erfahren, was du über sie weißt. Wer sie sind, was sie machen. Das könnte bei
den Nachforschungen hilfreich sein. Hast du Lust, es zu versuchen?«
»Natürlich. Wer ist der erste
Verdächtige?«
»Wouter Tolbathy.«
»Bist du völlig übergeschnappt? Wouter
hat sich doch wohl nicht selbst den Kehlkopf eingeschlagen!«
»Das hat ja auch niemand behauptet.
Aber er hätte durchaus den Sommelier spielen können.«
Max erläuterte die Gründe für diese
Theorie. Jem hörte ihm zu, bis er ausgeredet hatte, erstaunlicherweise, ohne
ihn zu unterbrechen. Dann schüttelte er den Kopf.
»Ich verstehe zwar, was du damit sagen
willst, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß du recht hast. Damit
will ich allerdings nicht ausschließen, daß Wouter den Sommelier tatsächlich
dargestellt haben könnte. Teufel auch, ich hätte ihn sogar selbst gespielt,
wenn ich diesen Einfall gehabt und die Sache irgendwie amüsant gefunden hätte,
was aber, ehrlich gesagt, nicht der Fall ist. Was meinst du übrigens damit, daß
dieser komische Vogel den Kabeljau von der Großen Kette genommen hat und durch
einen Korkenzieher ersetzt hat? Der Kabeljau war doch für die verdammte
Ewigkeit daran befestigt.«
»Ich bin absolut sicher, daß du dich
irrst«, entgegnete Max. »Höchstwahrscheinlich war er nur durch einen kleinen
Silberring mit der Kette verbunden. Sonst hätte er doch völlig steif daran
gehangen, und das hätte unmöglich ausgesehen. Ich möchte sogar behaupten, daß
jeder, der mit Werkzeugen umgehen kann, ihn problemlos austauschen konnte.«
Jeremy Kelling machte ein finsteres
Gesicht. »Schon wieder eine Illusion zum Teufel. Aber ich kann mir nicht
vorstellen, daß irgend jemand verrückt genug wäre, Wouter so eine Nummer
aufführen zu lassen.«
»Willst du damit andeuten, daß man sich
auf Wouter nicht verlassen konnte?«
»Doch, er war schon zuverlässig.
Allerdings auf seine eigene, merkwürdige Art. Ich meine damit, wenn Wouter sagte,
daß er etwas tun würde, dann tat er es auch. Das Problem war nur, man konnte
nie sicher sein, was dabei herauskam. Wouter lebte in einer völlig anderen
Welt. Hätte man ihn beispielsweise gebeten, den Kaviar zu servieren, wäre er
höchstwahrscheinlich mit einem quicklebendigen Stör in einem Goldfischglas
hereingewatschelt. Ich nehme an, dieser nachgemachte Korkenzieherklau hat keine
komischen Nummern abgezogen?«
»Offen gesagt ist mir die ganze
Vorstellung wie eine komische Nummer vorgekommen«, erwiderte Max. »Aber die
Frauen vom Party-Service haben mir erzählt, daß
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