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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Jem, das Thermometer
noch im Mund. »Was passiert denn dann?«
    »Magendarmblutungen, Schwächeanfälle,
Bauchschmerzen, Erbrechen, Kollaps und Atemlähmung, mitunter auch noch weitere
Symptome. Wenn man es überlebt, kann man immer noch kaputte Nieren
davontragen«, fügte sie mit der klinischen Distanz hinzu, die angeblich so
beruhigend auf Laien wirkt.
    Sie hielt Jems Handgelenk und schaute
dabei auf ihre Armbanduhr. »Aber wenn die Leute die nächsten Tage überstehen,
denke ich, daß die meisten von ihnen sich wieder erholen werden. Im Zug muß es
ja entsetzlich ausgesehen haben, als das Zeug anfing zu wirken. Du liebe Güte,
bin ich froh, daß ich da nicht saubermachen mußte.«
    Die Krankenschwester ließ Jems
Handgelenk los, legte ihm die Blutdruckmanschette an, pumpte sie auf,
beobachtete, wie die Nadel sank, zuckte die Achseln und trug Zahlen in Jems
Krankenblatt ein. »Wenn Sie auch auf der Party waren«, erkundigte sie sich bei
Max, »wie kommt es dann, daß Sie nicht vergiftet worden sind?«
    »Der einzige Grund, der mir einfällt,
ist der, daß ich keinen Kaviar mag. Ich glaube, ich war der einzige, der davon
nichts angerührt hat.«
    »Sehr überzeugend. Wer’s glaubt, wird
selig.«
    Nach diesem Scherz nahm die
Krankenschwester das Thermometer aus Jems Mund.
    »Wieviel?« verlangte Jem zu wissen.
    »Normal, selbstverständlich. Genau wie
Ihr Blutdruck. Meinen eigenen wage ich inzwischen schon gar nicht mehr zu
messen, seit ich Sie hier versorgen muß. Schönen Tag noch!«
    Sie schenkte ihnen ein knappes Lächeln
und eilte von dannen, um mit ihrer Barmherzigkeit ein anderes Opfer zu
beglücken. Max griff wieder nach dem Foto.
    »Okay, Jem. Machen wir uns an die
Arbeit.«
    »Das soll wohl ein Witz sein. In meinem
Zustand kann ich doch nicht arbeiten. Verdammt, wie kannst du ein derart
unanständiges Wort in meiner Gegenwart und zu einem solchen Zeitpunkt auch nur
in den Mund nehmen? Meine ältesten Freunde sterben schließlich gerade wie die
Fliegen. Obed Ogham gehört wohl nicht zufällig zu den Opfern?« erkundigte sich
Jem in dem verzweifelten Versuch, wenigstens einen Silberstreif am Horizont
auszumachen.
    »Als ich Ogham das letzte Mal sah,
hielt er sich den Bauch und kotzte den Rasen vor Tolbathys Haus voll«,
erwiderte Max. »Muntert dich das ein wenig auf?«
    »Ein bißchen. Glaub aber ja nicht, daß
ich diesem abscheulichen Hornochsen irgend etwas Schlimmes wünsche. Ich dachte
gerade nur an den Schaden, den er seinen Mitmenschen zufügt. Was hat er denn
letzte Nacht so alles über mich gesagt?«
    »Eigentlich gar nichts. Er hat mir nur
ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, daß die Kellings für ihn Luft sind. Sag
mal, Jem, wie gut kennst du die Tolbathys?«
    »Wie gut ich sie kenne? Mein Gott,
Wouter und ich sind zusammen vom Phillips Andover geflogen. Derartige Erlebnisse
verbinden schließlich, wie du dir sicher denken kannst. Wir waren schon
miteinander befreundet, als wir noch quäkende Babys waren. Ich nehme jedenfalls
an, daß ich auch gequäkt habe. Bei Wouter bin ich mir da völlig sicher. Wie
geht es dem alten Gauner übrigens?«
    »Ich fürchte, du hast den Artikel noch
nicht zu Ende gelesen.«
    »Was willst du damit sagen? Wouters
Magenwände sind sozusagen aus solidem Kesselblech, der verträgt alles. Um
Wouter umzuhauen, braucht es schon mehr als einen Schluck Gichtmedizin.«
    »Da hast du allerdings recht. Es tut
mir leid, Jem, aber es ist ihm etwas zugestoßen. Wouter wurde im Lokführerstand
umgebracht. Meiner Meinung nach durch einen Karateschlag gegen den Kehlkopf.
Die Polizei ist allerdings der Ansicht, daß es sich um einen Unfall handelt,
aber wenn du weiterliest, wirst du feststellen, daß sie gar nicht erst
versuchen, diesen Unfall näher zu klären. Gibt es in eurem Kabeljauclub jemand,
der mal Nahkampfspezialist war?«
    »Nahkampf?« Es dauerte eine ganze
Weile, bis Jem den Schock über Wouters Tod einigermaßen überwunden hatte. Dann
seufzte er und schüttelte den Kopf, als müsse er sein Gehirn erst wieder in
Gang bringen. »Oh, jetzt verstehe ich, was du meinst. Die Geschichte mit dem
Zungenbein. Die kennen wir alle. Ogham hat uns die Methode mal bei einem
unserer Treffen vorgeführt, als er gut aufgelegt war. Ogham war selbst früher
Nahkampfspezialist — oder behauptet es jedenfalls.«
    »Wenn er es selbst nicht getan hat, muß
seine Demonstration jedenfalls ziemlich lehrreich gewesen sein. Ich würde
sagen, der Schlag war absolut professionell ausgeführt.

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