Kabeljau und Kaviar
den Kaviar vergiftet
haben. Allenthalben verlangt man, daß wir jede verdammte Konserve, die wir
verkauft haben, wieder zurücknehmen.«
»Würde es schlimme Konsequenzen haben,
wenn es wirklich dazu käme?«
»Für meine Firma, meinen Sie? Ich nehme
an, es könnte uns ruinieren. Der Kaviar allein wäre wohl noch zu verkraften,
aber die Folgen wären einfach katastrophal. Die Leute sind so mißtrauisch, wenn
es um Gift in Lebensmitteln geht, wissen Sie. Was man ihnen nicht verdenken
kann. Und wir sind nun einmal ein kleiner Familienbetrieb. Mehr haben wir auch
nie sein wollen. Auch jetzt nicht. Es ist nicht schwer, uns in den Konkurs zu
treiben. Aber irgendwie ist mir das im Moment völlig gleichgültig. Unser
Großvater hat das Geschäft aufgebaut. Ich glaube, es würde mir gar nicht viel
ausmachen, wenn ich jetzt derjenige wäre, der es zugrunde richtet.«
»Mal angenommen, die Geschäfte laufen
weiter«, sagte Max, »welche Auswirkungen hätte der Tod Ihres Bruders auf die
täglichen Geschäfte? Falls die Frage nicht taktlos ist.«
»Oh, Ihre Frage ist durchaus nicht
taktlos.« Tolbathys Antwort klang irgendwie verwundert, als frage er sich,
warum Max nicht ›irrelevant‹ gesagt hatte.
»Selbstverständlich werden wir Wouter
vermissen. Mein Bruder war — oh, jeder hatte ihn gern. Niemand hat sich je
darum gekümmert, was er eigentlich tat, es war einfach schön, ihn um sich zu
haben. Was allerdings die Geschäfte angeht, glaube ich kaum, daß seine
Abwesenheit irgend etwas ändern wird. Meine übrigens auch nicht, da wir schon
mal beim Thema sind. Meine Söhne würden einfach einspringen und weitermachen.
Sie erledigen sowieso schon die meiste Arbeit.«
»Ihre Söhne waren gestern abend aber
nicht auf der Party.«
»Nein, sie sind mit den Whet-Kindern
beim Skilaufen. Die Party war einzig und allein für gute alte Freunde von
Hester und mir gedacht. Mit der Familie hatten wir bereits eine Riesenfeier an
Thanksgiving, und zu Weihnachten wollten wir uns alle noch einmal treffen.
Wouter war die Seele jeder — « Tom versagte plötzlich die Stimme.
»Schade, daß ich Wouter nie
kennengelernt habe«, sagte Max.
»Sie hätten ihn gemocht.« Tom schneuzte
sich die Nase. »Alle haben ihn gemocht.«
»Sind Sie da ganz sicher?«
»Wie bitte? Ach so, ich verstehe. Max,
Sie wissen doch selbst, daß sogar die Polizei Wouters Tod für einen Unfall
hält!«
»Das weiß ich. Und ich nehme an, Sie
wissen so gut wie ich, daß sie das aus demselben Grund tun, aus dem sie den
vergifteten Kaviar den Russen in die Schuhe schieben. Sie tun es Ihnen zuliebe,
weil sie annehmen, daß Sie es so wünschen. Tun Sie das?«
»Mein Gott, was für eine Frage.«
Tolbathy seufzte und blieb eine ganze
Weile stumm. Dann schüttelte er den Kopf, ganz langsam, als bereite ihm jede
Bewegung Schmerzen. »Nein, das will ich nicht. Man kann kein Verbrechen unter
den Teppich kehren. Wir müssen sie also mit ihren Ermittlungen fortfahren
lassen, damit sie herausfinden, welcher von meinen Gästen Wouter umgebracht und
dann versucht hat, die übrigen Gäste zu vergiften. Das wird die Firma retten,
doch Gott allein weiß, wie schrecklich die Folgen sein werden. Zerbrochene
Freundschaften, öffentliche Demütigungen.«
»Aber wenn Sie auf der Vertuschung
bestehen, könnte es gut sein, daß Sie bald nicht mehr sehr viele Freunde haben
werden, die Sie noch vor den Kopf stoßen könnten. Und Ihre Familie existiert
dann vielleicht auch nicht mehr. Jemand, der ohne die geringsten Skrupel ein
tödliches Gift unter das Essen einer ganzen Zugladung Menschen mischt, die
angeblich seine Freunde sind, schert sich bestimmt nicht übermäßig um die
Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Er sitzt wahrscheinlich gerade in
irgendeiner Bar und genehmigt sich in aller Gemütsruhe einen Drink, feiert
seinen Erfolg und grübelt bereits über seinen nächsten Schachzug nach.«
»In Ordnung, Max. Ich habe gesagt, was
Sie von mir hören wollten. Jetzt sagen Sie mir, wie es weitergehen soll.«
»Teilen Sie der Polizei klipp und klar
mit, daß Sie keine Rücksicht wünschen, sondern die Wahrheit.«
»Die werden mir gar nicht erst glauben,
wenn ich ihnen nicht ein paar handfeste Beweise liefere. Sie dürfen nicht
vergessen, daß sie sich schon ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt haben.«
»Ich weiß. Darauf wollte ich gerade zu
sprechen kommen. Wir können kaum erwarten, daß sie sich jetzt ein Bein
ausreißen, um nach irgend etwas zu suchen, das sie im Grunde
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