Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Tür. Dann fiel mein Blick auf den Briefkasten: Dort waren zwei große »T«s aufgeklebt, die Umrisse des weggerissenen »A«s waren noch erkennbar. Das hier war nicht mein Kabel, aber es war ein Ort, wie ich ihn suchte – eindeutig genug, dass ich mir den Pfad vorstellen und die flüchtige Geographie des Internets auf den sandigen Boden von Long Island projizieren konnte – und auf das Meer dazwischen.
* * *
In der Zwischenzeit hatte ich auf Nachricht von Simon Cooper gewartet, an welchem Strand dieser Erde das nächste Seekabel von Tata angelandet würde. Die E-Mail der Frau von der Presseabteilung in Mumbai erreichte mich an einem Donnerstagmorgen: Wenn das Wetter mitspiele, sei die Anlandung für den kommenden Montag geplant. Irgendwo bei Lissabon; wo genau, könne sie nicht sagen. Ich antwortete nicht sofort. Ich machte mich zuerst auf die Suche nach einem Flugticket.
Am darauffolgenden Sonntag kam ich morgens in Portugal an, überquerte südlich von Lissabon den Tejo und bog dann nach Westen ab, Richtung Atlantik. Ein paar Kilometer fuhr ich am endlosen Sandstrand der Costa da Caparica entlang südwärts, dann wandte ich mich wieder landeinwärts und gelangte in eine Gegend mit bescheidenen Wochenendhäusern. Die Landestation von Tata lag etwas von der Straße zurückgesetzt hinter einem hohen Hochsicherheitszaun. Sie war ein gesichtsloses, fast unheimlich wirkendes Gebäude mit dicken Betonmauern und Fenstern mit dicken Stahlrahmen. Man hätte sie für das Haus eines Waffenschiebers halten können oder für die Abhörstation eines Geheimdienstes. Sie war viel größer als die Station von Paling in Cornwall – ein Musterbeispiel für Tycos Maßlosigkeit. Ich klingelte und wartete, bis das Tor sich öffnete. Dann nahm ich meine ganze, jetlaggeschwächte Konzentration zusammen, ließ vorsichtig die Kupplung kommen und manövrierte den Wagen in eine enge Parklücke; für einen Sonntagvormittag war hier ganz schön was los.
Rui Carrilho, der Leiter der Station, war ein kräftiger Mann Anfang vierzig. Er trug ein hellblaues Poloshirt, Jeans und schicke Lederhalbschuhe, als wäre er mit seiner Frau auf Sonntagsspaziergang. Er war wenig erfreut, mich zu sehen. Ich kam auf Einladung seines Chefs, Simon Cooper, aber es war keine gute Woche für Besucher. Hier draußen war es fast windstill, der Himmel war klar, aber hinter den Kulissen war die Hölle los. Da war zunächst der Anlass meines Besuchs, die Anlandung des Kabels für das »West Africa Cable System«, kurz WACS , das bald von diesem Hügel bis an die Westküste Afrikas reichen sollte. Gleichzeitig waren zwei Techniker aus der Tyco-Zentrale in den USA zu Gast, die rund um die Uhr daran arbeiteten, den direkten Konkurrenten des WACS in Betrieb zu nehmen, das »Main One«-Kabel, das dieselbe Route bediente. Tag und Nacht waren sie in Rufbereitschaft und warteten auf Anweisungen vom Tyco-Kabelleger »Resolute«, der irgendwo vor der nigerianischen Küste vor Anker gegangen war und das Kabel vom Meeresgrund heraufgeholt hatte, während die Techniker an Bord fieberhaft daran arbeiteten, es zu reparieren. Und als wäre all das nicht genug, saßen Carrilho die oberen Etagen von Tata im Nacken, weil ihnen die Nachrüstung des dritten Kabels dieser Station nicht schnell genug ging, eines Kabels, das quer durch den Golf von Biskaya nach England führte, irgendwo in der Tiefe die Route von AC -1 kreuzte und in der Nähe einer weiteren ehemaligen Tyco-Station bei Bristol anlandete. Die Belegschaft der Landestation hier hatte die ganze Woche in den Büros auf dem Fußboden geschlafen und abends in einem Restaurant in der Nähe gegessen, manchmal zusammen mit den erschöpften Tyco-Technikern aus New Jersey. Carrilho saß bei solchen Anlässen am Kopfende des Tisches; Menschenführung lag ihm seit seiner Zeit als Luftwaffenoffizier im Blut. Aber die Augenringe – und die fahrigen Bewegungen, mit denen er nach seinem Blackberry und seinen Camels griff – sprachen eine deutliche Sprache: Es war eine Menge los hier. Und ich, ein Tourist, war mitten hineingeraten.
Ich hatte die Station kaum betreten, da führte Carrilho mich schon wieder hinaus zum stationseigenen Kleinbus. »Ich zeige Ihnen, wo das Kabel angelandet wird, damit Sie den Weg allein finden«, sagte er, bemüht, mich möglichst schnell wieder loszuwerden. Wir nahmen Kurs aufs Meer und folgten einer dicht bestandenen Allee, unter der vom Strand herauf das Kabel verlief. Am Fuß eines steilen Hügels lag ein
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