Käfersterben
Geschichte an, von der gemeinsamen künstlerischen Arbeit mit Dani und Livio und dem Zusammenbruch des Teams nach Livios Tod. Sie erinnerte an das Gauguin-Bild in Danis Haus und fügte hinzu, von Booz gehört zu haben, dass Jana häufig mit ihrem Auto nachts unterwegs war.
»Ein Geländewagen, schwarz, sieht neu aus. Fragen Sie mich nicht nach dem Typ.«
Schließlich zog sie das Fax aus dem Rucksack. Hardo riss es ihr förmlich aus der Hand.
»Keine Kennung, kein Datum«, sagte er. »Ist das die Schrift Ihrer Freundin?«
Katinka zögerte. Sie musste zugeben, schon seit Jahren keinen handgeschriebenen Brief von Dani bekommen zu haben. Nichts außer sporadischer Telefonate und unpersönlicher E-Mails. Aber da war der Zettel hinter dem Gauguin-Druck in ihrem Schlafzimmer.
»Ja«, sagte sie der Einfachheit halber.
Hardo schien sich zu entspannen.
»Hat Booz etwas Brauchbares gesagt?«, fragte Ka-tinka.
»Nein«, sagte Hardo. »Er kam nach wenigen Minuten auf die Idee, die Aussage zu verweigern. Das allein genügt schon. Wir werden ihn ein bisschen bei uns behalten.«
»Hat er … etwas über mich gesagt?«
»Dass er Sie hat kommen sehen und sich fragte, was Sie hier wollen.«
»Hat er die Tat beobachtet?«
Hardo zuckte die Schultern. »Er behauptet, zwei Personen gesehen zu haben, die sich den Felsen näherten. Was dann passierte, will er nicht mitgekriegt haben. Booz stand angeblich weit hinten, bei dem anderen Kreuz.« Er wies auf die Ostseite.
»Wenn Booz nicht gekommen wäre, ich weiß nicht, wie ich den Weg zurückgefunden hätte«, flüsterte Ka-tinka.
»Können Sie das mal genauer schildern?«
Katinka biss die Zähne zusammen. Sie zitterte am ganzen Körper. Bei dem Gedanken daran, wie sie sich wie ein schweres Pendel vor und zurückwiegte, unfähig, sich zu bremsen und wegzugehen, wurde ihr schlecht.
»Ich höre nichts«, sagte Hardo krätzig.
Katinka stand auf. Seine Gnadenlosigkeit ging ihr auf die Nerven. Zuerst hatte er sie eingeschüchtert, doch nun regte sich ihr Widerspruchsgeist. Auch Katinka Palfy ließ nicht alles mit sich machen. Wütend sah sie ihm ins Gesicht.
»Ich führe es Ihnen am besten vor«, sagte sie und marschierte schnurstracks auf den Felsabbruch zu. Sie vermied es, nach unten zu sehen, holte tief Luft und schaukelte vor und zurück.
Hardo packte sie und zog sie mit einem einzigen kräftigen Ruck zurück. Sie prallte gegen ihn und machte sich los.
»Sind Sie übergeschnappt?«, schrie er sie an.
»Warum quälen Sie mich so?«, brüllte Katinka zurück. Der Wind verwehte ihre Stimmen in der Nacht. Sie sahen einander starr in die Augen. Keiner von beiden konnte und wollte auch nur einen Millimeter nachgeben. Schließlich sagte Katinka:
»Ich war komplett neben der Spur. Ich stand da und sah Dani und«, sie holte tief Luft und bändigte ihre bebende Stimme, »und hatte das Gefühl, ich könnte hier nicht mehr weg. Irgendwas ließ mich schaukeln, vor und zurück, ich konnte nichts dagegen machen. Mein Denken war ausgeknipst. Booz war mit einem Mal hinter mir. Er packte mich und zog mich Schritt für Schritt weg. Alleine hätte ich das nicht geschafft.«
»Booz will zwei Personen gesehen haben«, sagte Hardo.
Katinka verstand. Sie gab eine ziemlich gute Verdächtige ab. Sie selbst könnte die zweite Person sein, die Booz angeblich gesehen hatte.
»Ich war die ganze Zeit allein hier oben«, sagte sie müde. »Ich habe auf Dani gewartet. Aber da lag sie schon da unten.«
Hardo starrte sie an, ohne ein Wort zu sagen. Sie wollte ins Warme, fort von hier, sie wollte, dass er aufhörte, sie so brutal zu behandeln, als gebe er ihr die Schuld an dem Mord, als hielte er sie für die Mörderin.
»Ich entschuldige mich in aller Form, dass ich Ihnen den Urlaub vergällt habe«, sagte Katinka. Ihre Lippen waren von der Kälte ganz steif und unbeweglich. Wie grobe Klötze purzelten die Wörter aus ihrem Mund.
Hardo hob unvermittelt die Hand und strich ihr ein paar Haarsträhnen hinters Ohr.
»Es geht nicht um den Urlaub, Schäfchen«, sagte er. »Es geht darum, dass Sie hier in Begleitung eines Tatverdächtigen herumspazieren. Allein. Nachts.«
»Er ist nicht der Mörder«, gab Katinka bibbernd zurück und wich ihm aus. »Wenn er Dani umgebracht hat, warum hat er mich dann nicht auch beseitigt? Er hatte doch die beste Gelegenheit dazu. Günstiger geht’s nicht mehr. Dunkelheit. Keine Zeugen. Eine Frau, die kurz vor der Klapse ist und in die Tiefe guckt. Ein Stoß, fertig. Aus,
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