Kälteeinbruch (German Edition)
alten Leute bekamen es irgendwie hin. Bei ihnen hatte es wirklich etwas zu bedeuten, das «in guten wie in schlechten Tagen und bis dass der Tod euch scheidet».
Heutzutage war die Ehe eine romantische Vorstellung, die im bald einkehrenden Alltagstrott rasch zu Staub zerfiel.
Vor dem Eingang zur Notaufnahme standen zwei knallgelbe Kastenwagen mit Blaulicht auf dem Dach. Anton ging auf sie zu. Kam an einem weißen Auto vorbei, das widerrechtlich vor der Wand geparkt hatte, obwohl direkt darüber ein Schild darauf hinwies, dass dieser Parkplatz ausschließlich Einsatzfahrzeugen vorbehalten war. Vor dem einen Krankenwagen blieb er stehen. Spähte auf den Vordersitz, auf dem er während der Fahrt zum Krankenhaus selbst gesessen hatte. Eine Parkwächterin kam und baute sich vor dem weißen Auto auf. Dokumentierte die Ordnungswidrigkeit mit einer Digitalkamera. Stellte einen Strafzettel aus und klemmte ihn unter den Scheibenwischer an die Windschutzscheibe.
«Gut gemacht», bemerkte Anton sarkastisch.
Ein blonder Pferdeschwanz guckte unter der Kappe hervor. Sie warf Anton einen verdrießlichen Blick zu und erwiderte: «Bis zum nächsten Parkplatz sind es fünfzig Meter.»
«Ich meine, mich zu erinnern, dass ich auf der anderen Seite des Gebäudes eine ältere Frau im elektrischen Rollstuhl gesehen habe, die vergessen hat, ihren Behindertenausweis ins Auto zu legen. Sie sollten sich sputen, bevor sie wieder zurück ist.»
Die Politesse entfernte sich wutschnaubend.
Anton blieb stehen und betrachtete den Wagen. Er war weiß. Nicht klein, aber auch kein SUV . Ihm fiel das Auto hinter dem Hotel ein. Und der Mann, der ihn angegriffen hatte. Der Kerl war von stattlicher Statur gewesen. Gedankenversunken blickte Anton zu Boden.
Er dachte an den Mann, der sich ihm als Karl Skarvik vorgestellt hatte.
Er trat an den Wagen heran. Es war ein Peugeot 5008 . Anton warf einen Blick auf den Strafzettel. Der Besitzer schuldete der Kommune Fredrikstad nun fünfhundert Kronen. Anton klemmte den Zettel wieder unter den Scheibenwischer. Schaute in das Auto. Auf dem Beifahrersitz lag eine Dokumentenmappe. Auf der Heckscheibe klebte ein großer Aufkleber mit dem Schriftzug
HRS Kompetenzzentrum
. Blaue Buchstaben – auf rot-weiß kariertem Grund.
Sein Herz begann zu pochen. Er spürte ein Kribbeln am ganzen Körper. So wie man sich fühlt, wenn man sein Auto gerade noch herumreißen kann und so einen Crash vermeidet. Oder wenn die Panik der Erleichterung weicht, weil der Geldbeutel doch noch da ist. Der freie Fall, bevor man die Reißleine zieht und der Schirm sich öffnet.
Adrenalin.
Er rief die Einsatzzentrale an und ließ das Kennzeichen überprüfen. Nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, dass der Wagen auf Karl Skarvik zugelassen war, fotografierte Anton ihn von allen Seiten mit seinem Handy. Er versuchte Kval anzurufen, doch der ging nicht ran. Das Gleiche bei Torp. Er schickte Torp eine SMS :
Habe möglicherweise das Karoauto gefunden.
Kapitel 57
«Shit. Das sieht nicht gut aus», bemerkte Torp und stieg auf die Bremse. Der Passat schlitterte über die Straße. Das Kreischen des ABS -Systems mischte sich in das Heulen der Sirenen. Das Fernlicht des zivilen Polizeiautos tauchte den Hyundai und das Gelände ringsum in gleißendes Licht. Die Vorderräder drehten sich weiter, als hegte der Fahrer die leise Hoffnung, hier doch noch mit heiler Haut herauszukommen. Schnee spritzte auf. Die Warnblinkanlage musste sich von selbst aktiviert haben: Um den Hyundai herum blinkte es orange. Torp hörte Kvals Handy in dessen Tasche klingeln. Nach einer Weile verstummte es wieder.
Dann vibrierte es in seiner eigenen Hosentasche. Genau wie Kval ließ er es einfach klingeln.
Kval nahm die Pistole in die rechte Hand und riss die Tür auf. Torp schnappte sich die Weste vom Boden vor dem Beifahrersitz. Sah abwechselnd durch die Windschutzscheibe und auf seine eigenen Hände.
Er zitterte.
Die Tür des Hyundai wurde aufgetreten. Heraus kam Bernandas Mielkos. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Selbst von hier konnte er die Panik in Gesicht und Körperhaltung des Mannes erkennen. Bernandas Mielkos schleppte sich durch den Schnee. Kval hatte noch nicht einmal die halbe Strecke zu Mielkos’ Wagen zurückgelegt.
Torp fuhrwerkte immer noch an seiner Weste herum. Die beiden Polizeiautos kamen schlitternd neben ihm zum Stehen. Er gab den Kampf gegen den Klettverschluss auf. Die Weste baumelte lose über seinen Schultern. Er griff nach der
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