Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
stimmte Earnshawe zu, nachdem er diese Bemerkung eine Zeitlang einer genauen Erwägung unterzogen hatte. «Und trotzdem zieht er die Passagiere ans Land.»
«Die Passagiere!»
Ein oder zwei Minuten lang standen die beiden schweigend da. Dann fragte Ebbs, von einem plötzlichen Impuls getrieben: «Wie wär's mit einem Drink, Chief?»
Earnshawe überdachte sorgfältig diesen Vorschlag. «Ay, hätte nichts dagegen einzuwenden.»
Wiederholt schellte Ebbs in seiner Kabine mit der Glocke. Doch Burtweed, der seine Füße einweichte, weilte fern aller Hörweite.
«Weiß der Himmel, was der Tiger immer zu tun hat, wenn wir im Hafen liegen», brummte er. Er kratzte sich und kramte in seinem Barschränkchen nach einer Whiskyflasche und zwei Gläsern. «Es ist schon recht nachlässig von mir gewesen, Sie nicht längst heraufgebeten zu haben, Chief», fügte er entschuldigend hinzu, indem er die Drinks zwischen sie stellte. «Auf der alten Luther haben McNair und ich fast fünf Jahre lang bei jeder Mahlzeit einander gegenüber gesessen, glaub ich. Aber auf diesem Schiff hier scheint man nicht einmal Zeit zu finden, jemanden vor Augen zu kriegen, den man sehen möchte.»
«Zerbrechen Sie sich drüber nicht den Kopf, Käpt'n», sagte Earnshawe mürrisch. «Weiß schon, was Sie alles auf sich haben. Ihre Arbeitszeit ist ausgefüllt, da gibt's nichts. Ist das meins?» Er packte das Glas, das halb voll purem Whisky war, und leerte es.
«Ich wollte, ich könnte sagen, daß die andern meine Position nur halb so verständnisvoll einschätzen wie Sie», sprach Ebbs weiter und schlürfte verdrossen an seinem Drink. «Ich plaudere nicht gern aus der Schule, Chief - aber, verdammt noch mal! Es ist geradezu ein Skandal, wie sich mein Erster mir gegenüber benimmt.»
«Hab nie viel von diesem Shawe-Wilson gehalten. Ein fester Tritt in den Hintern tät ihm nicht schaden.»
«Und einige Passagiere sind nicht viel besser als er. Dieser Brigadier Broster, zum Beispiel... Ich bin von Natur aus nicht bösartig, Chief, aber, bei Gott! Dem möchte ich mehr als gern mit meinen nackten Händen das Gedärm herausreißen!»
«So treten Sie doch einmal energisch auf!» schalt Earnshawe und hieb mit der Faust auf den Tisch. «Sie sind doch schließlich der Kapitän, oder nicht?»
«Gewiß, ich bin der Kapitän», gab Ebbs traurig zu. «Aber in dieser Position ist meine Machtbefugnis einigermaßen... einigermaßen...» Er entschied sich dafür, nicht mehr darüber zu sagen. «Sollen wir noch eins trinken?» fragte er, als machte er an einem nassen Tag den Vorschlag, einen weiten Spaziergang zu unternehmen.
«Möcht nicht nein sagen.»
Als Ebbs die Gläser nachfüllte, lehnte sich Earnshawe zurück, unterzog ihn einer eingehenden Betrachtung und erklärte: «Sie haben wohl ein höllisches Leben, Mensch, was?»
«Wissen Sie, das ist das erste freundliche Wort, das mir jemand seit Tilbury gesagt hat», sprach Ebbs dankbar. «Ich weiß schon, daß der Kapitän sozusagen ein einsames Leben führt - ich bin dran gewöhnt, weiß Gott, bei Nelson war's genauso. Aber dieses Schiff hier! Wissen Sie, womit ich mich seit Suez zu befassen hatte?» Angefeuert dadurch, daß sich ihm ein mitfühlendes Ohr entgegenneigte, fuhr er fort: «Beschwerden, Beschwerden, Beschwerden! Meiner Seel, die ziehn mich für alles an Bord zur Verantwortung, vom verbrannten Teegebäck angefangen bis zur politischen Färbung der Schiffszeitung. Eine verdammte Gemeinheit!»
«Das kriegen wir immer im Roten Meer zu spüren», sagte Earnshawe ruhig. «Das kommt von der Hitze und davon, daß vom Morgen bis zum Abend einer auf dem andern sitzt und Daumen drehen muß. Die Passagiere sind ans Klima nicht so gewöhnt wie wir. Könnten sie nicht durch Stänkern Dampf ablassen, so käm's auf den Passagierdecks zu blutigen Morden.»
«Wäre gar kein so schlechter Ausweg», meinte Ebbs feierlich. Er leerte sein Glas auf einen Zug und hustete leicht.
«Ich bin kein Trinker», erklärte er, während er sich neuerlich Whisky einschenkte. «Kann wirklich von einer Fahrt zur andern ohne einen Tropfen auskommen. Aber ich muß zugeben, Chief, daß es Gelegenheiten gibt, wo ein Gläschen Alkohol gar nicht fehl am Platze ist.»
«Ay», stimmte Earnshawe zu. «Man muß die Maschine ab und zu ein bißchen
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