Käptn Snieders groß in Fahrt
einmal macht“, sagte er. „Das war damals, kurz nach meiner dritten Kap-Hoorn-Umseglung, da fuhren wir mit einem Klipper, so einem Schnellsegler, wißt ihr, nach Australien. Wir hatten eilige Ladung an Bord, viertausendfünf hundertvierundachtzig Doppelzentner Reißverschlüsse. Die waren für die Bauchtaschen der Känguruhs bestimmt und mußten noch vor der Regenzeit eingenäht werden, damit sich die Känguruhkinder keinen Schnupfen holten. Auf der Rückreise wollten wir in Madagaskar Vanille laden, denn damals war gerade eine sehr puddingfreudige Zeit.
Wir verließen Bremen mit gutem Wind und waren bester Stimmung. Als wir dann auf den Atlantik kamen, hatten wir strichweise eine so ruhige See, daß wir bis auf den Grund gucken konnten, mit dem Fernglas natürlich. Junge, Junge, was da alles ’rumliegt! Der Meeresboden ist der reinste Schuttabladeplatz, kann ich euch sagen. Hunderte von Schiffen, die alle mal untergingen, sind da übereinander und untereinander und voreinander und hintereinander und natürlich durcheinander auf gestapelt.“
„Du haßt nebeneinander vergeßßen, Käpten ßniederß“, warf Rudi Turka ein.
„Richtig, Moses, nebeneinander liegen sie selbstverständlich auch. Aber das ist nicht alles, nein, da treiben auch Konservendosen und Schuhanzieher und Hosenträger und Pfeifenreiniger, und was man sonst so braucht. Das alles sahen wir mit dem Fernrohr, von den Fischen mal ganz zu schweigen, die zwischen all dem Unrat fröhlich herumschwammen und sich heraussuchten, was sie noch gebrauchen konnten. Ich angelte hin und wieder ein paar mit dem großen Zeh, damit wir was Frisches im Topf hatten, einmal hintereinander sieben Dorsche und fünf Seeaale.“
„Tut das denn nicht weh“, fragte Klara Furken, „wenn die Fische in den Zeh beißen?“
„Menß, ein Käpten hat doch Hornhaut anne ßehe“, erklärte Rudi, „ßo wie ßiegfried mit daß Drachenblut!“
Bürgermeister Reiners grinste. Käpten Snieders aber sagte: „Na, so dick ist meine Hornhaut nun nicht, Rudi, daß ich da einen dicken Dorsch ’reinbeißen lassen möchte. Ich hab’ mir beim Angeln immer so eine Art Fingerhut auf die Zehe gesetzt, meine eigene Erfindung. Bei Blohm & Voß in Hamburg hab’ ich sie mir machen lassen. Die waren aus Eisen. Wenn die Fische da ’reinbissen, verstauchten sie sich gleich die Schneidezähne und waren von dem Schmerz so betäubt, daß ich sie greifen konnte.“
„Ach so!“ sagte Klara.
„Unser Smutje mußte uns dann die Dorsche braten und die Seeaale räuchern.“
„Hm“, machte Rudi, „kenn’ ich, daß ßmeckt ganß prima!“ Kluten Neumann rief warnend von hinten: „Halt endlich den Mund, Rudi!“
Rudi wandte sich um und sagte laut: „Keine Angßt, Kluten, ich ßag’ ßon nichtß mehr.“
Käpten Snieders konnte fortfahren.
„Wir beobachteten zum Zeitvertreib, wie Neptun den Seepferdchen neue Hufeisen unterschlug und den Sägefischen die Sägen schärfte, mit einer ganz rostigen Feile. Im Meerwasser rostet ja alles viel schneller. Wenn wir müde waren vom vielen Gucken, legten wir uns in die Hängematten und schnarchten eine Stunde. Tja, so ging das Tag für Tag und Woche für Woche. Ab und zu machten wir ’n Mundvoll Musik auf einer alten seetüchtigen Quetschkommode, und manchmal spielten wir auch ,Schwarzer Peter 1 oder ,Blauer Max‘ oder legten Patiencen.
Kurz und gut, nach fünfzig Tagen hatten wir den Suezkanal und das Rote Meer hinter uns und befanden uns auf dem Indischen Ozean, so halbwegs zwischen Ceylon und Madagaskar. Da wird doch auf einmal der Schiffszimmermann ganz schwarz im Gesicht und kriegt überall so dicke Beulen, daß uns bei seinem Anblick ganz feucht in den Kniekehlen wird. Wenn der man nicht die Pest hat, sagt unser Kapitän, die soll hier ja zu Hause sein. Kaum ist das gesprochen, da fällt der arme Zimmermann auch schon der Länge nach hin und ist tot. Im selben Augenblick fliegt am Achterdeck ein Albatros vorbei, in den hatte er sich sofort verwandelt, wie das bei toten Seeleuten so der Brauch ist. Wir packen den armen Kerl und werfen ihn über Bord. Lind dann stehen wir da und plieren ihm nach und sind gar nicht mehr recht in Stimmung. Mensch, und da läuft doch auch der Leichtmatrose Heini Fleutenfink so blauschwarz an und macht ganz verdrehte Glubschaugen und sucht schon nach einem Platz, wo er hinfallen kann. Was soll ich lange drumherumreden: zehn Minuten später war er auch ein Albatros. Junge, Junge, nun ging’s aber los, nun
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