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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Becken, das er ihr mit seinen Söhnen füllen würde.
    In der gnadenlosen Helligkeit des Tages wusste Cyprian, dass ihm ein solcher Sohn nicht taugte und die Vorstellung nur über das Grauen der Nacht half. Wenn er sich den Sohn ausmalte, den er mit Isabel de Fortibus hätte haben können, war es jedes Mal, als bräche ein Stück von seinem Herzen ab. Stark und schön wäre er gewesen, wie es den Söhnen seines Geschlechtes eigen war, aber ohne den welschen Tropfen, der die Härte verweichlichte, als habe man Silber in Stahl gemischt. Das uralte Blut der de Redvers hätte ihm das Erbe der normannischen Eroberer gebracht: Zähigkeit, Adelsstolz und eine durchtriebene Schärfe des Verstandes, wie Isabel sie in sich vereinigte.
    Mit aller Wucht holte Cyprian noch einmal aus und stach das Messer in die Grube, in der Adams Gesicht gewesen war. Seine Träumereien waren leer wie diese Grube. Er hatte keinen Sohn mit Isabel de Fortibus.
    Das alles hing zusammen wie die Knüpffäden des verdammten Teppichs, die sich jetzt, wo ein Teil fehlte, in rasanter Geschwindigkeit auflösten. Hätte Gregory nicht mit einem Hieb zerstört, was Cyprian aus den Trümmern aufgebaut hatte – hätte er dann die Kraft und den Rückhalt besessen, Isabel wie eine wilde Stute zu zähmen? Nicht auf die alberne Weise von Matthew, der ein tobendes Pferd mit dem Zaumzeug streichelte, ehe er es ihm anlegte. Sondern mit der Peitsche, die einer Frau mit zu viel Kraft den Herrn zeigte.
    Ja, es war Gregory gewesen, der ihm mit seiner Untat den Schwung dazu genommen hatte. Gregorys Schande hatte sein Selbstvertrauen zerstört, und allein deshalb hatte Isabel de Fortibus gewagt, ihn zu verlachen. Statt seiner hatte Adam de Stratton die Peitsche über ihr geschwungen. Von allen Männern Adam de Stratton. Ein verdreckter Niemand. Ein geschorener Kleriker. Ein Verbrecher, dem keine Jauche zu sehr stank, als dass er nicht bis zum Schwanz darin waten würde.
    Noch einen letzten Messerstich gönnte sich Cyprian. Dann rief er sich zur Ordnung und legte das Messer beiseite. Sein Tross stand bereit, jedes Pferd war beladen, jeder Mann gerüstet. Er wollte im ersten Tageslicht aufbrechen, und wenn er sich gestattete, sich in eine Raserei zu steigern, würde er in dieser Nacht keinen Schlaf finden. Sein Vorhaben aber brauchte einen Führer im Vollbesitz seiner Kräfte.
    Sein Vorhaben. Vielleicht das letzte seines Lebens. Was er für sein Geschlecht geplant hatte, war ihm einst ausradiert worden. Jetzt ging er, Adam auszuradieren. Sein Geschlecht. Das einzige Kind, das er besaß.
    Eine Tochter war kein Sohn, beileibe nicht. Cyprian hatte sich nie eine Tochter gewünscht, ja er hatte die Möglichkeit nicht einmal in Erwägung gezogen. Sein Vater, unverdient gesegnet mit drei Söhnen, hatte keine Tochter gehabt, und er selbst hatte auch keine. Dennoch war eine Tochter, wie er jetzt lernte, besser als nichts. Hätte er wenigstens eine Tochter von Isabel de Fortibus gehabt, eine zähe, stolze Amazone, hätte die ihm den Enkelsohn gebären können, für den sich die Hölle ertragen ließ. Eine Tochter war besser als ein missratener Sohn, denn sie erlaubte es einem Mann, den Vater seiner Enkel auszuwählen. Eine Tochter war ein Trost im Alter und eine Zierde in ihrem Vaterhaus. Eine Tochter war tausendmal mehr, als Adam de Stratton vergönnt sein durfte.
    An der Zimmertür ertönte das verzagte Klopfen des Buckligen. Was wollte der jetzt? Was konnte wichtig genug sein, den Schlaf des Herrn zu stören, der in der Frühe zu einem Feldzug aufbrach? Cyprian steckte das Messer in eine Lade und ließ sich auf dem Bett nieder. Aus alter Gewohnheit flog sein Blick zum Wandteppich und blieb am Gesicht des Adam hängen. Nur dass kein Gesicht mehr dort war. Er hatte es tatsächlich getan. Nach all diesen Jahren hatte er sich von Gregorys verdammtem Wandteppich befreit. Wer sollte ihn jetzt noch aufhalten? Wer sollte ihn diesmal hindern, sich und die Welt von Adam de Stratton zu befreien?
    »Herein!«, rief Cyprian.
    Die Türangeln knarrten, und geschmeidig schob sich der Bucklige ins Zimmer. »Ich bitte um Vergebung, Mylord.«
    »Haltet mich nicht auf, sondern sprecht«, fauchte Cyprian.
    Der Kastellan setzte vier abgezählte Schritte ins Zimmer, verbeugte sich tiefer, als man es dem verwachsenen Körper zutraute, und hielt Cyprian die flache Hand entgegen. Darauf lag ein schwerer Brief, dessen Siegel unverkennbar war. »Es kam gerade noch einer unserer Kundschafter«, sagte er,

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