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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Gähnen.
    Isabel lachte auf. »Bin ich jemals nicht zurechtgekommen, hatte ich jemals eine Wahl? Genießt Euren Schlaf, im Nu ist die Nacht vorbei.«
    Kurz darauf schloss sich die Tür zur Treppe, und sie war mit ihrem Gast allein. Durch die flackernden Flammen der Kerzen sah sie ihn an. »Das kleine Vorspiel hat Euch hoffentlich die Zunge gelöst. Ich wüsste nämlich allmählich gern, was mir wirklich die Ehre Eures Besuchs verschafft.«
    Piers de Montfichet räusperte sich. Hätte er sie nicht so angewidert, so hätte es ihr leidtun können, dass Englands König Kinder wie ihn auf Missionen schickte, die Schneid und Format erforderten. »Das Verhalten meines Mannes ist natürlich zu tadeln«, sagte der junge Mann endlich. »Aber ein wenig Verständnis für seinen Zorn kann ich nicht leugnen. Wir sind monatelang mit dem königlichen Haushalt gereist, von uns weiß jeder Einzelne, welche Kosten die hehren Ziele des Königs verursachen. Und so hart es mich ankommt, es auszusprechen: Ihr schuldet diesem König dreitausend Pfund.«
    »Soso«, sagte Isabel. »Ich schulde also dem König Geld, und Euch schickt er, um es einzutreiben. Sagt: Ist das nicht eine Aufgabe, der jeder schlichte Land-Sheriff gewachsen wäre?«
    »Man sollte es annehmen.« Der kleine Mann hatte sich in die Brust geworfen, wie um sich seiner Bedeutung zu versichern. »Aber Ihr wisst selbst, dass an dieser Aufgabe schon andere gescheitert sind. Das Geld ist dem Exchequer noch immer nicht zugegangen.«
    »Ist es nicht? Wie bemerkenswert. Sollte das etwa daran liegen, dass dem König das besagte Geld nicht zusteht? Ich jedenfalls bin höchst überrascht davon, jemandem Geld zu schulden, von dem ich mir nie einen Penny geliehen habe.«
    »Ihr schuldet Einkommen für die Lehen auf der Insel, die Eigentum des Königs sind!«, rief Montfichet. »Es ist bereits ein Mann gesandt worden, um von den Lehnsmännern die Summen einzutreiben, denn Eure sturen Insulaner beharren darauf, sie seien Euch verpflichtet, nicht dem Thron von England.«
    »Und der Mann hatte keinen Erfolg?«
    »Nicht allein das. Er ist spurlos verschwunden.«
    Isabel nickte. Der Streit um die Lehen hatte bereits unter dem dritten Henry begonnen, und dessen Sohn war offenbar entschlossen, ihn auszufechten, bis sie mürbe war. Er mochte lange fechten – von Rechts wegen war nach wie vor kein Teil der Insel Eigentum der Krone, und Männer, die hier ihre ererbten Güter verwalteten, waren ihre Vasallen, nicht die von Edward Plantagenet. Adam hatte mit seiner Befürchtung offenbar richtiggelegen: Er hatte zwar Cyprians Mann ausgeschaltet, doch London hatte einen neuen geschickt. Wenn allerdings die Bedrohung ihrer Rechte aus halbgaren Bübchen wie Montfichet bestand, konnte sie getrost darüber lachen. Vermutlich hatte der König Cyprian die Sache aus den Händen genommen, nachdem dessen Versuch fehlgeschlagen war.
    Armer Cyprian, dachte sie gallebitter. Und armer König, der glaubt, diese sich windende Blindschleiche könnte vollbringen, woran seine giftigste Natter gescheitert ist.
    »Mylady, ich höre keine Antwort von Euch.«
    »Hört Ihr keine? Und ist es denkbar, dass ich keine ausgesprochen habe?«
    »Davon, dass Ihr diese Belange missachtet, verschwinden sie nicht«, behauptete Montfichet aufgebläht.
    »Tun Sie das nicht?« Isabel lehnte sich zurück und nippte an ihrem Wein, wie der Genießer Baldwyn es so gern getan hatte. Es misslang ihr. Sie hatte einen Zug am Leib wie Adam. »Habt Ihr mir nicht gerade erzählt, ein Mann, den der König gesandt hat, sei schon verschwunden? Da wir dabei sind – ich bewundere Euren Mut, Mylord. Ihr begebt Euch in die Höhle der Löwin und stellt Euch dem grausigen Rachen, der Euren Vorgänger verschlang. Habt Ihr keine Angst, dass ich im Blut von schönen Jünglingen bade und Euch als nächstes Opfer auserkoren habe?«
    Der arme Grünschnabel lief blaurot an wie das Sekret der Purpurschnecke. »Nicht doch, nicht doch«, murmelte er schwerlich hörbar und hob beide Hände. Dann straffte er sich und fuhr hastig fort: »Nicht von Euch fürchten wir Gräuel der nämlichen Sorte. Eure Familie ist seit zweihundert Jahren Teil von Englands edelstem Geblüt, und dabei wird es bleiben. Euer Verwalter ist es, der vor nichts zurückschreckt und dem die finsterste Schreckenstat zuzutrauen ist.«
    So finster, dachte Isabel, dass das Bürschlein sich fürchtet, Adams Namen auszusprechen. In der Tat gab es nichts, das sie selbst Adam nicht zugetraut hätte,

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