Kains Erben
aber es gab auch nichts mehr, das er ihr antun konnte. Gegen das Eis in ihrem Herzen war seine Höllenhitze inzwischen machtlos.
Leichthin stand sie auf und trat vor das Feuer. Es war Vergeudung, ein Feuer so hoch brennen zu lassen, zumal bei mildem Wetter, aber Isabel liebte es. »Ich verstehe Euch richtig, ja? Mein Verwalter, der eine Art rechte Hand des Teufels ist, hat des Königs kleinen Beamten verspeist, und jetzt seid Ihr hier, um die Untat zu rächen?«
»Euer Verwalter ist die rechte Hand des Teufels!«, rief Montfichet mit Leidenschaft. »Aber der Mann, der samt der königlichen Gelder verschwunden ist, war kein kleiner Beamter.«
»Nicht? Wer dann? Doch nicht etwa Prinz Alphonso, der Stolz des königlichen Vaterherzens?«
»Matthew de Camoys«, erwiderte Montfichet.
Isabel starrte ins Feuer, bis ihre Augen nichts mehr sahen als blendendes Gelb und Rot. »De Camoys«, sprach sie vor sich hin. »Matthew.« Durch ihre Erinnerung blitzte der Augenblick, als ihr Stewart ihr vor der Senke bei Wootton mitgeteilt hatte, dass ihr Altersgenosse, der Verehrer ihrer Jugend, inzwischen einen erwachsenen Sohn hatte. Dies hier war schlimmer. »De Camoys«, wiederholte sie vor dem lodernden Feuer. »Matthew.« War das der Mann, den Adams Leute unwissentlich getötet hatten? War das Gottes Art von Humor, und erwartete Er, dass auch nur ein Mensch darüber lachte?
Mit einer jähen, erschreckenden Heftigkeit wünschte sie sich, dass Adams Leute den Mann, der Matthew de Camoys hieß, nicht getötet hatten, dass sein Tod noch bevorstand und dass er sterben würde, ohne dass ihm eine einzige Qual erspart blieb. An allen Gliedern zerschlagen und zerschunden sollte er ersticken, vor den Augen nur Dunkel und im Herzen Einsamkeit. Das Albtraumbild, das sie so oft heimgesucht hatte, tauchte wieder auf, doch diesmal kämpfte sie es nicht nieder, sondern genoss es, denn es war ein anderer, der darin litt.
»Mylady Countess?«, hörte sie Montfichet fragen, als sei er besorgt um sie.
Mit der Glut der Flammen auf den Wangen drehte sie sich um. »Bei mir ist kein Herr de Camoys gewesen«, sagte sie ohne Ausdruck. »Schon seit Jahren nicht mehr.«
»Das nimmt doch auch niemand an!«, beeilte sich Montfichet zu versichern. »Wie gesagt: Niemand denkt auch nur daran, Euch im Zusammenhang mit seinem Verschwinden zu bezichtigen, und ich bin nicht einmal hier, um Euch des geschuldeten Geldes wegen zu behelligen.«
»Ach nein?« Isabel konnte nicht klar denken. Die Silben des Namens hämmerten in ihrem Kopf. De Camoys. Matthew. Männer zeugten Söhne, und manche dieser Söhne wuchsen auf, ob ihre Väter es verdienten oder nicht.
»Nein«, wiederholte Montfichet. »Ich bin hier, um Euch im Namen meines Königs ein Angebot zu unterbreiten. Es gab einmal ein besseres. Damals – er war noch Kronprinz – trug er Euch die Ehre einer Heirat mit seinem Bruder Edmund an, doch Ihr zogt es vor, ein solches Privileg auszuschlagen.«
»Wiederholt mir nicht meinen Lebenslauf. Ich kenne ihn besser, als mir lieb ist.«
»Wie beliebt, Mylady. Erlaubt mir nur, an eines zu erinnern: Als Prinz Edmund um Eure Hand anhielt, hattet Ihr einen Erben. Jetzt habt Ihr keinen mehr.«
Isabel hatte ihr Leben lang nicht geduldet, dass ein Mensch sie ohrfeigte. Als ihre Mutter es gewagt hatte, hatte sie, damals ein spilleriges Ding von zehn Jahren, zurückgeschlagen. Die Ohrfeige dieses Milchbarts musste sie jedoch einstecken, ohne einen Finger zu rühren. Sie hatte keinen Erben. Nicht nur ihre Wange brannte, sondern jeder Zoll an ihrem Leib.
»König Edward ist bereit, auf den Betrag zu verzichten, auf den sich Eure Schulden belaufen«, sprach Montfichet weiter. »Und nicht nur darauf, sondern auf jedes Einkommen aus den strittigen Lehen bis zum Zeitpunkt Eures Todes.« Er bekreuzigte sich.
Isabel griff sich ins Haar. War ihr Tod auf einmal ein Fakt, der im Raum stand? Sie war Isabel de Redvers, die Herrin der Insel, stark und gesund wie Woottons Pflugochsen! Sie besaß eine uneinnehmbare Festung und eine Familia von Rittern, die ihresgleichen suchte, aber dafür, dass sie sterben musste, hatte sie nicht vorgesorgt. Wieder glaubte sie, den Sohn ihres Feindes vor sich zu sehen, und wieder wünschte sie sich mit einer Kraft, die ihre Brust zu sprengen drohte, ihn zu Tode zu quälen.
»Ihr habt keinen Erben«, wiederholte der pickelige Jungspund, der noch hundert Erben würde zeugen können. »Mein König bietet Euch über den Erlass der Schulden hinaus
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