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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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wirkte er so verzweifelt, dass sie ihn nicht allein lassen mochte. Sie strich ihm über die Wange. »Ich glaub, es gibt auch unter Männern dumme Dinger«, sagte sie. »Und Bruder Timothy hat diesen Trieb, der über ihn kommt – schlimmer als die Hengste vor dem Beschälen und die Keiler im Wald. Er kann nichts dafür, es ist wie eine Krankheit, gegen die es kein Mittel gibt. Glaubt mir, Herr Matthew, ich habe alles versucht.«
    Auf Herrn Matthews Stirn erschien eine steile Falte, doch seine Miene wirkte nicht mehr so finster. »Du hast was versucht, Mag?«
    »Nun, ihm ein Mittel zu geben, das den Trieb stillt.«
    Bruder Timothys Kopf tauchte aus dem Getreidehügel auf, sein Gesicht der personifizierte Unglaube.
    »Er weiß nichts davon«, erklärte Magdalene. »Ich habe es ihm ins Essen gemischt, schon bevor diese Sache mit dem Blut begann, weil ich ganz ausgebohrt war und nicht mehr konnte. Im Norden haben wir es immer so gemacht, und bei anderen hat es auch bestens geholfen. Nur bei Bruder Timothy ist es verlorene Liebesmüh. Sein Trieb ist wie ein Tatzelwurm, den man hundertmal zertreten kann. Er steht immer wieder auf.«
    »Wie ein was?«
    Magdalene überlegte. »Ein scheußliches Tier mit Schuppen«, antwortete sie endlich, aber es fiel ihr nicht ein, wo sie das Ungeheuer gesehen hatte. »Eins, das am Wasserfall wohnt und Bauernmädchen frisst. Wo es langkriecht, wird Sand zu Glas, ich meine, etwas Weiches wird hart – so wie bei Bruder Timothy.«
    Zu ihrer Erleichterung sah Magdalene, wie Herrn Matthews schöner Mund sich kräuselte – er kämpfte gegen etwas, das stärker war als ein Lächeln, und in seinen Augen blitzte eine Spur von Schalk. Sie war beinahe stolz auf sich. Warum sie mit dem dummen Gerede vom Tatzelwurm begonnen hatte, wusste sie nicht, aber wenn sie Herrn Matthew mit ihrer Dummheit amüsierte, sollte es ihr nur recht sein.
    Er schob das Schwert in die Scheide, hob die Hand und strich Magdalene über die Wange, so wie sie es zuvor bei ihm getan hatte. »Gott segne dich«, sagte er.
    »Und Euch, mein Herr Matthew.« Vor Seligkeit hätte Magdalene um ein Haar geweint.
    »Jetzt hör mir zu, Mag, versprich es: Du darfst auf keinen Fall noch einmal mit ihm verkehren, einerlei, ob sein Tatzelwurm ihn zu Glas macht oder ob über euch der Himmel einstürzt. Du würdest daran sterben, verstehst du?«
    »Und wärt Ihr traurig, wenn ich sterb?«, entfuhr es ihr.
    Er sah sie lange an, und seine Augen waren zwei schwarze Sterne, schöner als jeder goldene. »Ja, Mag, dann wäre ich traurig.«
    Sie nahm seine Hände und küsste sie. Auf seinen Handrücken tropften ihre Tränen und Getreidekörner.
    »Wenn es gestattet ist«, nuschelte Bruder Timothy aus seinem zerstörten Kaninchenbau, »bei allem, was Ihr gegen mich vorzubringen habt, wünsche ich, dass Ihr wisst: Ich werde an Magdalenchen als Ehrenmann handeln. Ich war ja nur ein Dreikäsehoch, als ich all das geschworen habe – dass ich nie nach einer Frau schauen will und so weiter –, und sobald wir nach Fountains Abbey kommen, werde ich jemanden bitten, mich von meinen Schwüren zu entbinden. Dann kann ich Magdalenchen heiraten. Dass sie kein Kind kriegt, stört mich nicht. Sie ist mir genug, ich brauch nicht mehr.«
    »Dafür sei dem Herrgott Dank«, brummte Herr Matthew, aber er klang nicht länger erzürnt. »Also schön, um deiner Fürsprecherin willen soll es damit genug sein. Aber du musst mir bei allem, was dir heilig ist, geloben, dass du ihr nicht mehr nahekommst, es sei denn, sie wird gesund. Wenn wir in London sind und dieser Wurm dich zu Glas macht, lass es mich wissen. Ich gebe dir Geld für eine Hure, die ihn weich bekommt.«
    Bruder Timothys Gesicht wurde rund wie der Mond, so strahlte er. Magdalene gab ihm Herrn Matthews Hände, auf die er ergeben seine Küsse drückte. Herr Matthew aber zog die Hände zurück und wischte die Handrücken nicht an seiner Kleidung, sondern am splitternden Holz der Raufe ab. »Gott vergelte Euch Eure Güte«, sagte Timothy und verneigte sich im Sitzen so tief, dass sein Gesicht im Getreide landete.
    »Ja«, sagte Magdalene. »Gott vergelte Euch alles, Herr Matthew. Und wenn es etwas Geringes gibt, mit dem Eure Mag Euch Dank sagen könnte – dann bitte, mein Herr Matthew, lasst Eure Mag davon wissen.«
    Er stand vor ihr, wie er damals in der Tür von Gilles’ Frauenhaus gestanden hatte: die Schultern und den Rücken gestrafft und die Hände im Rücken verschränkt. »Was für ein Bild von

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