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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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vor der Regierungsvilla, hatten Recht: Deimos läutete wirklich das Ende der Welt ein; die große Abrechnung steht nun bevor.
    Da hörte er von ferne die vielen Hubschrauber näher kommen. Und zugleich murmelte Marta etwas Unverständliches über plötzliches Unwohlsein, über Kopfschmerz; sie kam auf die Beine, stöhnte kurz (nichts als ein Seufzen), griff sich an den Kopf und verlor das Bewußtsein. Sie sackte zusammen, fiel gegen eine Singer-Nähmaschine mit schmiedeeisernem Gestell und stürzte mitsamt der Antiquität zu Boden.

36
    „
Shizz.
“ Nazma hatte die Hände vor den Mund geschlagen. „Was
ist
das?“
    „Ahnst du’s nicht?“ Chloé Parsons, eine Kommilitonin, blickte, fahrig an ihren Zigeunerohrringen spielend, sonst aber irritierend gefaßt, gen Holo. Immer neue Explosionen vergrößerten eine schwarze Rauchwolke, bis sie das ganze Bild ausfüllte. Chloé sah Nazma an. „Das ist der Grund, warum dieser Mond aufgetaucht ist. Warum Berg, Bals und die anderen uns nichts sagen wollten.“
    „Du meinst…“
    „Ja, Nazma. Krieg. Und die haben es gewußt und nichts gesagt. Gefällt mir nicht, wie der Scheiß läuft. Ein abgekartetes Spiel. Man will nicht, daß wir – nein. Warte...“ Sie wirkte auf Nazma wie berauscht. Immer mehr Dinge schienen vor Chloés Augen zu entstehen. Sie sprach immer schneller, eine Hand in ihren Baumwollrock gekrallt. „Zahllose dieser Monde umkreisen vermutlich inzwischen die Erde. Vielleicht müssen sie neue Welten finden, um an Rohstoffe zu kommen. Vielleicht Platin. Oder Uran. Aber was können wir dagegen tun? Wir sollten schleunigst die Fahnen schwenken. Und dann ...Wir könnten ihnen die Brunnen vergiften, sprichwörtlich, meine ich...“
    Nazma schaltete ab. Ihr eigenes Innenleben. Sorge, um sich selbst, die Welt.
    Krieg...
    Krieg war etwas Abstraktes, das sie nur aus Vorlesungen oder Pulitzerpreis prämierten Reportagen von fernen Ländern kannte. In Pakistan herrschte Krieg. Aber in Europa? Jetztgerade tobte er, bei ihnen, sie sah es, live, ungeschnitten, in allen entsetzlichen Details.
    In Edinburgh schien alles ruhig. Noch lag die Hauptstadt friedlich. Nazmas gehetzter Blick löste sich vom Holobild und glitt aus den Spitzbogenfenstern des Naturwissenschaftsblocks, in dessen Versammlungsraum sich alle eingefunden hatten, und sah zwischen Refektorium und James-Cook-Flügel des K.I.-Seminars ein Stück bleischweren Wolkenhimmel, an dem es bis auf einzelne tieffliegende Flugzeuge ruhig war. Die europäische Luftaufsichtsbehörde hatte den Zivilluftverkehr gestoppt, Militärmaschinen aber sah man immer öfter. Bislang aber keine Luftkämpfe über der Stadt.
    Anders London. Das Holo zeigte einen Himmel voller Dornschiffe, Jagdmaschinen und Trümmerteile. Nazmas Bewußtsein gierte in einer außer Kontrolle geratenen Realität nach Ankerpunkten, um das Geschehen in einen vertrauten Bezugsrahmen zu setzen. Es fand keine. Das Holo: A500M-Transportmaschinen, die Soldaten und Material beförderten; in der Luft berstende Jagdmaschinen der kontinentalen Luftwaffe; auf Buckingham Palace und Big Ben, auf den dreißig Jahre alten ›Scherben‹-Wolkenkratzer auf, verdammt noch mal, fliehende Menschen stürzende Trümmer; das Verkehrschaos am SkyDome und auf den Themsebrücken; zu Boden schwebende Fallschirme, an denen Piloten in ihren Fliegeroveralls hingen, besiegt, hilflos. Es war schockierend. Esschien als sündhaft teurer Actionfilm, war aber echt.
Bitte laß es Corey gut gehen.
    Shizz. Denk nicht daran.
    Von Judith keine Spur. Sämtliche Netze waren wegen heilloser Überlastung gleich nach den ersten Meldungen von erdwärts steuernden Fremdschiffen zusammengebrochen. Alles Interesse fokussierte sich fortan auf den Angriff. Der Versammlungsraum war binnen Minuten voller Menschen. Geschrei, wildes Gestikulieren; mehr Spekulation, als Information – es ging zu wie in einem Börsensaal. So gab es keine einheitliche Geschichte, nur jede Menge Gerüchte. Die Außerirdischen wären gekommen, um die Erde zu vernichten, oder um sich deren Uran- oder Wasservorräte zu sichern. Deimos wäre dafür ein Vorauskommando gewesen, mit Spionen an Bord, die die Lage vor dem Großangriff auskundschaften sollten. Einer dieser Spione hätte Aron Berg getötet, damit Rufus Bals an die Macht gelänge. Rufus Bals wäre einer der Außerirdischen oder stünde unter ihrem Willen, ebenso wie Chinas Führerin Xu Juncai, der russische Premier Alexeij Feonow oder ›Miss Exxon‹, in Washington D.

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