Kairos (German Edition)
dezimieren. Corey machte bei dem Anblick der vielen bewaffneten Menschen ein Geräusch, ein tiefes Atemholen.
Keine Sekunde zu früh, nicht eine.
Er schleppte sich weiter, sah, wie ihm Soldaten entgegenkamen. Er registrierte ihr Näherkommen, sah aber durch sie hindurch. Seine Sorge galt jetzt den wartenden Skulls. Wie würden sie auf diese kleine Niederlage reagieren? Immerhin war das Leuchten verschwunden und damit vielleicht auch dieser durch das Schiff im Hangar geschaffene Schutzeffekt. Dann könnten die Skulls in Ruhe losmarschieren, zu ihnen, zu ihm, und ihnen allen leicht den Garaus machen.
Etwas sehr Helles und Schnelles jagte durch die Luft. Es kam aus Coreys Rücken herangeflogen, hielt an ihm vorbei in Richtung Soldaten. Diese hatten nicht einmal Zeit, sich wegzuducken. Sofort war das leuchtende Dinge heran und durchbohrte den ersten Skull Es durchschlug eine Metallwand des Hangars. Was danach damit passierte, wußte Corey nicht. Die Soldaten sprangen auseinander und brachten ihre Waffen erneut in Anschlag. Es waren die Shumgona, die das Feuer eröffnet hatten, und jetzt schossen die Menschen zurück. Es war klar, wie dieses Gefecht ausgehen würde. Gegen die überlegene Waffen- und Defensivtechnik der Fremden gab es kein Mittel. Alle wußten es. Der Faktor Zeit war nun entscheidend, den Erwählten soviel viel Zeit wie möglich zu verschaffen.
Die Skulls stürmten vor. Die Schilde, die sie wie ein Kokon aus staubigem Licht umgaben, erlitten viele Treffer. Etliche Shumgona fielen durch Anzahl und Wucht der Einschläge zurück, dennoch hielten die Invasoren unvermindert entschlossen auf die Hangartore zu.
Corey kam nur langsam voran. Inzwischen kroch er mehr als aufrecht zu gehen. Die Luft um ihn herum schien die Konsistenz von Modellierlehm angenommen zu haben. Zermürbung und Zerrüttung, Folgen der Entkräftung und der Schmerzen, ließen ihn immer langsamer werden.
Corey driftete weg. Er nahm kaum noch etwas von seiner Umwelt wahr. In seinen Ohren rauschte das Blut. Sein Blickfeld war ein Mix aus dunklen Flecken und hellen, unscharfen Linien. Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Er riß die Lider auf und schüttelte sich. Ein wenig half es. Die Bilder einer irrgeleiteten Wirklichkeit bekamen etwas Kontur. Dennoch war er am Ende seiner Kräfte. Bald würde es nicht mehr weiterkönnen. Dann würde es zu Ende sein. Die feindliche Macht, die vom Himmel stürzte, hätte auch ihn besiegt. Neben seiner physischen Kraft verlor er auch allen Mut. Als die Soldaten feuernd aus dem Hangar gestürzt waren, hatte er linde Hoffnung empfunden, darauf, letztlich doch noch heil davonzukommen, wenn es sich machen ließe, sogar an einem Stück. Aber jetzt ...
nein ... zu spät...
Und Patrick? War sie längst tot? Schon im Inneren der Halle, im Inneren dieses Schiffes, dem Ei? Unterwegs zu den Sternen? Ohne ihn.
Ohne mich.
Man hatte ihn zurückgelassen. Jetzt verhielt es sich so herum. Er, Corey, war für Patrick und den Rest ihrer ominösen Gruppe gleichgültig, so wie ihm Nazma im entscheidenden Moment gleichgültig gewesen war. Es fiel ihm auf, aber er bereute nichts. Sein Blut lief ihm aus einem Dutzend Stellen aus dem Körper, aber er war mit selbst sich im Reinen. Es gab nichts zu bedauern. Es gab nichts zu verstehen. Oder zu klären. Alles war klar, lag offen vor ihm. Er sah es, und er sah es doch nicht ganz.
C´est la vie.
So war die Welt.
Corey dachte an die Anderen aus der Flugschule, seltsamerweise zuerst an Nandi; Nandi, den Inder, Mahatma irgendwas. Kaolin, er selbst und Scott, ihre Angst vor Kulov
(Kulov ... ein Wüterich, aber kein Unmensch ... ihn kennenlernen bei einem Glas Dunkelbier)
, diese Gedanken, wie lächerlich jetzt.
Verpiß dich, zischt Scott ... Verpiß...
„Verpißt euch!“
Corey stoppte den Gedankenzug und ruckte innerlich hoch. Das rührte nicht aus seinen Gedanken. Oder doch? Woher kam es? Aus dem Drinnen, oder von dort, dem Draußen? Er horchte.
„Zurück ihr Mistviecher!“
Wer schrie das? Corey konnte die Augen nicht öffnen. Von außen kam dieser unglaubliche Krach, zugleich wütete in ihm irgend etwas: unendliche Erschöpfung. Das Leben verließ ihn. Kein Vor noch Zurück mehr, kein Abwägen, Bewerten, Hinausblicken. Kein weiches Erwachen, erst reich kein Entrinnen. Kein Erinnern.
Noch erinnerte er sich und gewahrte, daß er einige Dinge durcheinander gebracht hatte. Da war zuerst dieser ohrenbetäubende Krach gewesen, kein Licht, kein Gefühl – nur ein lautes Geräusch. Das
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