Kairos (German Edition)

Lichtnadeln auf sie. Auf ihrer Haut blühten blauglühende Punkte, wie tanzende Sommersprossen.
    „Nadelstiche aus Licht...“, flüsterte Alain.
    „Aber was tun sie?“, fragte Bals.
    „Eine Art Bioscan?“, spekulierte Eiko.
    Was immer es war, es hörte nicht auf. Tausende Laserlichtimpulse zeichneten filigrane Muster, beschrieben leuchtende Bahnen. Die Vier, wie hypnotisiert, waren der Liegenden immer nähergetreten. Etwas Zeit verging, dann zogen die Kugeln sich wie auf ein geheimes Signal zurück und verschwanden.
    Niemand sagte etwas. Das Schlagen rasender Herzen.
    Die Fremde rührte sich noch immer nicht. Aber die Blässe in ihrem Gesicht wich einer leichten Röte. Eiko empfand Mitleid. Daß man sie so anstarrte, erschien ihr falsch. Nun, diese Frau war eine Attraktion, eine Sensation – dennoch...
    Doria stieß ihren Atem aus, den sie geraume Zeit angehalten hatte. In ihrem Gesicht arbeitete es. Sie verzog gequält die Züge, wie bei der Erinnerung an erlittenen Schmerz. Unvermittelt ging es vorbei. Ihr Blick klärte sich. „Hey“, rief sie aus, „ich glaube, sie wacht jetzt auf:“
    Eiko, Alain und Bals rückten in dem Moment vor, als die Außerirdische die Augen aufschlug.

13
    „Das ist ihre Pilotin. Jesus, wenn es dich verbrennt, weißt du, daß es Feuer ist. Diese Frau hat viel durchgemacht.“
    „Ich weiß nicht, sie wirkt so … mutlos.“
    „Was?“
    „Ermattet.“
    William Swan setzte sein Bier ab, wobei es Spritzer gab. „Eher gebrochen. Möchte wissen, wer auf die glorreiche Idee gekommen ist, daß gerade sie den Shuttle fliegt.“ Er sah seiner Frau prüfend in die Augen. „Du kennst ihre Geschichte nicht“, stellte er fest.
    „Ja – und?“
    „Das ist Mary-Doria Patrick, die berühmte Pilotin und Astronautin! Die erste Frau auf dem Mars.“
    „Und warum sollte ich ihre Geschichte kennen?“
    „Kann ich nicht sagen.“ William folgte wieder der Sendung, sagte aber nach kurzer Zeit: „M. Doria Patrick ist brillant an den Kontrollen, ja wirklich, aber es heißt, sie sei ein psychisches Wrack, was mich nicht wundert.“ Er trank. „Ihr ist übel mitgespielt worden, und das auf für einen Piloten schreckliche Weise.“ Er schüttelte abwesend den Kopf, sagte dann, mehr zu sich: „Ich schätze, sie fliegt, weil sie nach wie vor so gut ist.“
    „Was ist passiert?“
    „Später, Marta. Ich will das jetzt sehen.“
    Sie warf in gespielter Entrüstung die Arme hoch, stand auf und ging in die Küche, wo das Abendbrot bereitet werden wollte. „Ruf mich, wenn es etwas Neues gibt.“
    „Das gibt es ständig.“
    „Du weißt, wie ich es meine.“
    Abermals seufzte William im Stillen. Veränderungen waren nicht seine Sache. Er hatte sein Leben gemocht, wie es gewesen war, bevor dieser Mond aufgetaucht war. Aber Deimos war jetzt da. Er hing über allem, wie das sprichwörtliche Damoklesschwert. William Swan fühlte deutlich Wichtiges jetzt gerade geschehen. Damit meinte er nicht die Botschaft, das Raumschiff, oder die Tatsache, daß dort oben gerade Menschen mit Aliens zusammenkamen.
Nein.
Es ging tiefer. Deimos war erst der Anfang.
    Er nahm den letzten Schluck, beließ die herbe Flüssigkeit lange im Mund, ehe er sie hinunterschluckte, während er die Flasche abwesend in den Händen drehte.
    Deimos, mit der Polemik der Zeit massenmedial inszeniert, war das neue Eldorado der Gläubigerfront. Nichts war hiermit vergleichbar. Deimos’ Auftauchen war für die Menschheit in dem Sinn bahnbrechend, daß es einen konkreten Erkenntnisschub gab und man beginnen mußte, die Erde nicht länger als einzige Zivilisation zu sehen. Jetzt sahen es alle. Und die Meisten ließen sich auch darauf ein, priesen Deimos’ Insassen als Messiasse. Es gab nur noch diesen Mond als Fokus aller Aufmerksamkeit und Investigation; Roswell, die Boston-Sichtungen in den Zwanzigern, selbst die Serienstudie über das Medium Chester Twigg (Chester Twigg unterhielt zwischen 2032 und ’35 insgesamt siebzehn Mal via Trance-Channeling – spirituelles Kanalisieren, also mediale Transkommunikation mit höheren Dimensionen – Kontakt zu diversen Entitäten, darunter der Ufologen-Koryphäe Len H. Stringfield und einer den eigenen Worten nach halbgöttlichen Wesenheit vom Planeten Isis-An. ›Die Chester-Twigg-Erfahrung‹ wurde zu einem Bestseller.) waren zweitrangig.
    Die Menschheit war kollektiv somnambul geworden, Deimos der eine Star am Himmel über unseren Köpfen und den weiteren unserer