Kaiser des Mars
Glöckchen bildete dazu einen eigenartigen Kontrapunkt. Bolgov rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her und schüttete sich den wertvollen Brandy hinunter; selbst Ilsa war etwas unruhig, und ich konnte ihr es nicht verübeln. Auch ich, der ich doch mein Herz dieser Wüstenwelt geschenkt hatte, begriff die Eingeborenenmusik nicht!
Ein wohlgenährter Kammerherr leitete die einzelnen Abschnitte des Festmahls. Als die Musikanten ihr Spiel beendet hatten, stieß er seinen schweren, silbernen Stab gegen die marmornen Bodenfliesen und rief die Tanzmädchen herbei.
Sie waren schlank und jung mit gebräunter, kupferfarbener Haut, und ihre Körper wanden sich in einem Tanz, der das Wesen aller Wollust darstellte. Sie waren nur mit einem dünnen, purpurnen Gazeschleier bekleidet, und in ihr nachtschwarzes, seidenes Haar waren Juwelen eingewebt.
Bolgov musterte sie mit heißen, hungrigen Augen. Der Doktor nahm die Szene mit dem amüsierten Lächeln des Kenners auf. Ilsa freilich saß steif und aufrecht da, die fleischgewordene Mißbilligung, das Gesicht gerötet und die Augen abgewandt. Ich grinste, nahm einen Schluck von dem herrlichen Brandy und bewunderte den Tanz.
Der alte Fürst und Lord Kuruk, sein einziger Sohn, saßen in meiner Nähe; aber während des Festmahles selbst wechselten wir nur wenige Worte, weil das Volk es für höchst unhöflich hält, während einer Mahlzeit ein Gespräch zu führen. Ich sah, daß der kleine, zwergenhafte Priester mit uns das Podest teilte und sich gierig vollstopfte, wenn er auch nicht vom Wein trank. Von Zeit zu Zeit warf er mir einen Blick von abgrundtiefer Bosheit zu, aber ich erwiderte seine Blicke nicht. Wieder überlegte ich, weshalb er mich wohl hassen mochte.
Die alte Priesterschaft des Mars befand sich stets im Zwist mit den großen, erblichen Fürsten; aber der Jamad steht über solcher Rivalität – dies hatte ich wenigstens bis jetzt angenommen.
Als wir zu Ende gegessen hatten, sprach ich bei Fürst Kraa den Grund unseres Kommens an. Ich tat das so diplomatisch wie möglich und drückte mich hinsichtlich unserer Expedition höchst unbestimmt aus; dennoch beunruhigte es den Fürsten, daß wir die Verlorene Stadt Ilionis suchten.
Ich versuchte unsere Motive darzulegen und etwas Edleres als die gierige Jagd nach den Juwelen daraus zu machen. Ich bemühte mich, ihm zu erklären, daß es sich um eine wissenschaftliche Expedition handelte; aber das war für den alten Mann wahrscheinlich zu subtil und zu fremdartig. Das Volk ist aus den Höhen seiner großartigen Zivilisation sehr tief abgesunken, und die technologischen Fähigkeiten, die es seinen Ahnen ermöglichte, so komplizierte Gegenstände wie Gedankenaufzeichnungen herzustellen, sind schon lange verlorengegangen. Es fällt schwer, ihnen den abstrakten Begriff der Wissenschaft zu vermitteln, und der Sprache fehlt sogar jeder Ausdruck für den Begriff oder Gelehrter.
»Der silberhaarige unter meinen Begleitern«, erklärte ich vorsichtig, »ist ein Doktor. In der Sprache der Verhaßten bezeichnet das einen Schüler der alten Künste, einen Sucher der Weisheit vergangener Zeitalter. Er möchte die Aufzeichnungen der Leistungen eurer fernen Ahnen studieren und diese Dinge niederschreiben, damit andere Menschen daraus lernen und ihr Wissen erweitern können.«
Kraa konnte nicht begreifen, daß jemand mit so etwas seine Tage verbringen wollte, und erkundigte sich ernsthaft, ob Keresny gesund wäre.
»Der Dok-i-tar hat doch ohne Zweifel seine Frauen und die Jagd und die Kriege seines Volkes«, sagte er zweifelnd. »Er ist doch kein Priester – ein Kaffarh? «
Ich mußte an mich halten, um nicht laut aufzulachen: ein Kaffarh ist jemand, den man (vermittels Drogen) der Fähigkeit beraubt hat, gewisse Körperorgane zu gebrauchen, und der daher auch nicht mehr fähig ist, die sinnlichen Privilegien des Mannes zu genießen, um seine priesterlichen oder Orakelpflichten ohne die Anfechtungen des Fleisches um so besser verrichten zu können. Ein Kastrat, könnte man sagen.
»Nein, der Doktor ist ein ›ganzer Mann‹ – aber ein Mann von großer Weisheit und Gelehrsamkeit«, sagte ich.
Kraa zuckte die Schultern. Er gab auf. Dennoch beunruhigte ihn die Vorstellung, daß wir die Verlorene Stadt suchten.
»Wie soll der Dok-i-tar Ilionis finden? Kein Mensch kann wahrhaft von sich behaupten, den Weg zu wissen. Es gibt viele, die behaupten, Ilionis sei nur eine Fabel. Ich habe noch nie jemanden den Weg zu jenem Ort
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