Kaiser Trajan als Bauherr
den Fluss zu überqueren. Auch wenn Szenen dieser Art und sonstige Kampfhandlungen zu weiteren Sequenzen dieser Reliefkomposition gehören, ist bereits durch die genannten Ausschnitte gut zu verstehen, dass es in diesem Relieffries weniger darum gegangen ist, den tatsächlichen Verlauf des Dakerkriegs oder bestimmter Kämpfe zu schildern. Stattdessen verweisen einige Sequenzen mit Situationsbildern, die stellvertretend für die Kampfhandlungen insgesamt stehen, auf bestimmte und maßgebliche Stationen dieses Kriegs.
|52| Abb. 18 Rom, Trajansforum. Die untere Partie der Trajanssäule mit dem Beginn der Reliefspirale und der Darstellung des Flussgottes der Donau
|53| Innerhalb dieses Frieses fällt eine bestimmte Zäsur auf, die grundsätzlich jener historischen Realität entspricht, nach der es in diesem Krieg erst nach zwei größeren Anläufen der Jahre 101 – 102 n. Chr. und 105 – 107 n. Chr. zu einem abschließenden Erfolg gekommen ist. Um dies dem Betrachter nahe zu bringen, wurde in dem von anderen Szenen freigehaltenen Bildraum zwischen der Darstellung der beiden Feldzüge mit besonderem Geschick und betonter Programmatik wie ein Zwischenakt die Darstellung einer Victoria eingefügt (Abb. 19). Deren Gestalt folgt einem damals weit verbreiteten und allgemein bekannten Bildtypus, der auf das Standbild der Aphrodite von Capua, einem griechischen Meisterwerk des 4. Jahrhunderts v. Chr. zurückgeht. Im Relief der Trajanssäule wird dieses Vorbild zu einer geflügelten Göttin und damit zu einer Victoria umgebildet. Da sie in einer betonten Schrägansicht gezeigt ist, lässt dies sowohl die Eigenart ihrer Gestalt als auch das mit ihrer Darstellung vorgetragene Thema gut erkennen. Hierzu gehört |54| ein großer Rundschild, den sie auf einen neben ihr stehenden Pfeiler gestellt hat und mit ihrer Linken festhält. Dagegen führt sie mit ihrer Rechten einen Stift und schreibt offensichtlich eine bestimmte Botschaft auf die wie eine Tafel verwendete Schildoberfläche. Bei dem Thema dieses Frieses kann damit nur gemeint sein, dass Victoria den Sieg, den dieser Kaiser im Kampf gegen die Daker errungen hatte, notiert und damit für das Gedächtnis der Nachwelt bleibend festschreibt. Deshalb sind die kriegerischen Szenen für die hier demonstrierte Bildpropaganda zwar die |55| wichtigsten Ereignisse, doch wird aufmerksamen Betrachtern kaum entgangen sein, dass andere Inhalte und Themen keineswegs übergangen oder verdrängt worden sind. Dem entspricht, dass innerhalb dieser gesamten Reliefkomposition die Bildsequenzen, die Szenen mit Bauarbeiten, mit der Proviantvorsorge, mit einer Einschiffung am Flussufer, mit der Zusammenkunft bei Beratungen und mit kultisch bedingten Opferhandlungen rein quanitativ gegenüber den Kampfszenen sogar den größeren Teil dieses Relieffrieses einnehmen. Dabei wurde, um die Größe der Ereignisse und die besonderen Schwierigkeiten, die hierbei zu bestehen waren, bewusst werden zu lassen, ausführlich auf die umfangreichen Vorbereitungen, die aufwendigen Organisationsprobleme und die sonstigen Tätigkeiten im Vorfeld eines solchen Feldzugs hingewiesen. Deshalb ist dieser Relieffries über seine Bedeutung als Zeugnis eines historischen Ereignisses und einer hierauf abgestimmten Propaganda des Kaisers hinaus nach wie vor als Quelle zu sonst kaum ähnlich gut und authentisch überlieferten Tätigkeiten, Werkzeugen oder technischen Hilfsmitteln und Arbeitsvorgängen von einem auch antiquarisch kaum zu überschätzenden Wert.
|54| Abb. 19 Rom, Trajanssäule. Darstellung der Victoria, die auf der Rückseite eines Schildes die Siege notiert
|55| Für Trajan selbst dürfte es dabei freilich wichtiger gewesen sein, dass er in diesem Fries so gezeigt wurde, wie er sich als Kaiser gesehen und verstanden wissen wollte. Indem die eher zivilen Themen dem unbestrittenen, kriegerischen und soldatischen Heldentum Trajans gleichrangig zur Seite stehen, bestätigen sie dessen vielseitiges Wirken ebenso wie seine umfassende Kompetenz, die als gültiger Maßstab jeden staatlichen Handelns seine politischen Ziele legitimierten. Zugleich bot diese durchaus epische und für manchen Betrachter vielleicht etwas zu langatmige Reliefdarstellung die ausgiebig genutzte Möglichkeit, den Kaiser nahezu sechzigmal in verschiedenen Situationen oder bei mancherlei Handlungen zu zeigen. Trajan wurde hier in den ihn charakterisierenden Eigenschaften und Qualitäten seiner Virtus, seiner Pietas, seiner
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