Kaiser Trajan als Bauherr
diese aufwendige und wie ein eigenes Geschoss anmutende Substruktion eigentlich nur ein bauliches Unterlager, das einem Ausgleich des in diesem Glände unebenen Bodenniveaus |95| diente und damit für eine horizontale Fläche der Wasserkammern sorgte. Darüber hinaus konnte dies zugleich zu einer konstruktiven Stabilisierung der mit den gewaltigen Lasten des Wassers gefüllten Kammern beitragen.
|94| Abb. 33 Rom. Axiometrie des großen Wasserspeichers, sogenannte Sette Sale
|95| Abb. 34 Rom. Der große Wasserspeicher, sogenannte Sette Sale. Blick in eine der Wasserkammern mit durchbrochener Trennwand zur benachbarten Kammer
|95| Im Inneren teilen acht jeweils 1,20 m starke Wände, die bis in die Substruktion hineinreichen, das eigentliche Wasserreservoir in neun zwischen 29,30m und 39,75 m lange, durchschnittlich 5,30 m breite und in der Regel mehr als 7 m hohe, mit Tonnengewölben ausgestatte Kammern. Diese Gewölbe tragen eine zum Teil noch erhaltene Dachfläche, die vielleicht für einen weiteren Aufbau genutzt worden sein könnte. Außerdem durchbrechen große Öffnungen die Trennwände zwischen den korridorartigen Kammern (Abb. 34), sodass zwischen ihnen eine direkte Verbindung hergestellt war und sich das eingespeiste Wasser gleichmäßig in ihnen verteilen konnte. Die Zisterne bestand demnach nicht aus einzelnen Wasserspeichern, sondern war von Anfang an als größere Einheit geplant. Dabei entsprach ihre Unterteilung in neun Kammern keiner, mit der Nutzung des Wasserreservoirs |96| verbundenen Funktion, sondern ergab sich aus bautechnischen Gründen, weil die Trennwände wohl auch als Stützen und Auflager für die große Dachfläche gebraucht worden sind. Eine solche Erklärung ist vor allem deshalb plausibel, weil sich ohne diese stützenden Trennwände für die Decke eine offene Spannweise von nahezu 60m ergeben hätte und dies mit den damals zur Verfügung stehenden bautechnischen Mitteln gewiss nicht zu bewältigen gewesen wäre. Zugleich konnte durch die großen Öffnungen in den Trennwänden der Wasserstand innerhalb der gesamten Zisterne nach dem Prinzip kommunizierender Röhren kontinuierlich ausgeglichen werden. Dadurch war garantiert, dass das Wasser im Inneren der Zisterne stets einen gleichen Druck auf sämtliche dieser Trennwände ausübte und außerdem ein ausgeglichener Wasserdruck für einen kontinuierlichen Zufluss des Wassers in die Thermen sorgte. In Folge des Systems zur Wasserversorgung der Thermen ist hier ein Speichergebäude entstanden, dessen besondere Formen vor allem das Ergebnis funktionaler, sowie konstruktiver und technischer Überlegungen kompetenter Ingenieure gewesen sind.
Allerdings thematisiert der Entwurf dieses Wasserreservoirs nicht nur Probleme seiner inneren Stabilität und funktionalen Bedingung, sondern nimmt sich zugleich auch der Gestaltung seiner Form und damit des Gesichts dieser Anlage an. Dabei folgte die äußere Gestalt der inneren Logik des Zisternengebäudes, in dem die in der Zisterne für eine Stabilisierung notwendigen Trennwände mit ihren Stirnseiten als durchgesteckte Elemente außen sichtbar gewesen sein konnten. Wie ein Pfeilerrapport gliederten sie die Fassade und ließen dabei die innere Struktur der Zisterne auch in ihrer äußeren Erscheinung verständlich werden. Ihre als rechteckige oder halbrunde Nischen ausgebildeten Zwischenräume ergaben zugleich eine klare Abfolge und einen Rhythmus, der unmittelbar verstehen lässt, dass und in welcher Weise ein konstruktives Ingenieurprinzip entscheidend zur Form der Fassade und damit zur Gestaltung dieses besonderen Bauwerks beigetragen hatte. Dadurch wurde eine scheinbar nachgeordnete Versorgungseinrichtung, die sonst als fast fünfzehn Meter hohe Zisterne mit ihrem gewaltigen Volumen eine ungegliederte Baumasse geblieben wäre, gestaltend ausgezeichnet. Trotzdem ist diese Zisterne wegen ihrer baulichen und konstruktiven Eigenart vor allem ein besonders eindrucksvolles Exempel der hoch entwickelten Leistungsfähigkeit römischer Ingenieure. Mit einer Speicherkapazität von mindestens 7000 cbm und einem Verteilersystem, das in geschlossenen Röhren das Wasser den verschiedenen Badeeinrichtungen der Thermen zuführte, gehörte sie zu den Voraussetzungen eines reibunglos funktionierenden Betriebs dieser Thermen und war |97| deshalb nicht nur deren nachgeordnete Ergänzung. Dass dies auch ihren Erbauern bewusst gewesen ist, zeigt nicht zuletzt die aufwendig hergerichtete Fassadengestalt, mit der
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