Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Holzbrett, das im Wind knarrte. Es zeigte ein aufgespießtes Schwein, über einem Feuer brutzelnd.
Bilimer lächelte und starb.
»Vorwärts!«, schrie Godegisel, sein eigener Schwertarm müde und verkrampft vom Kämpfen. Seine verbliebenen Verrückten scharten sich um ihn, manche verletzt, alle voller roter Spritzer römischen Blutes, alle in verschiedenen Stadien ihres eigenen Wahnsinns gefangen. Für einen Moment hatten sie Ruhe, denn der dichter werdende Rauch des Feuers, das sie an mehreren Stellen gelegt hatten, nahm auch den Römern die Sicht. Das Atmen fiel schwerer, Godegisel hustete, presste sich ein Leinentuch vor den Mund. Seine gedämpfte Stimme versagte fast, doch er richtete seine Schwertspitze auf die Taverne und seine Männer verstanden. Alle rafften sich hoch, stolperten vorwärts, stießen die Tür auf, sahen einen von Feuern erhellten Schankraum mit einigen wenigen Gästen, die sie völlig entsetzt anstarrten.
Die Goten ignorierten sie, stürmten zur Hinterseite des Gebäudes, blieben völlig unbehelligt. Keine Helden in Thessaloniki, die sich einer Handvoll blutiger und rauchgeschwärzter gotischer Barbaren in den Weg stellen wollten.
Die Hintertür führte in einen Hof, und der Hof in eine Gasse. Keine Legionäre zu sehen. Godegisel sah den Brunnen, gestikulierte, holte Luft. Klingen fuhren ins Wasser, Kleidung wurde benetzt, Blut verwischte sich mit Ruß, verfärbte das Brunnenwasser. Es dauerte fünf Minuten, dann waren die Klingen verborgen, die Kleidung sah dreckig aus, aber die allzu offensichtlichen Spuren des Kampfes waren auf den ersten Blick beseitigt.
»Ruhig jetzt! Schaut ängstlich drein! Wir sind arme Flüchtlinge! Kein Wort über Eure Lippen! Wenn Ihr weinen müsst, weint!«
Der Rauch trug sicher das seine dazu bei, ihre Tränen echt wirken zu lassen. Wehklagend und heulend wankten die Goten in die Gasse, verschwanden langsam in den verwinkelten Ecken der Stadt und die Legionäre, vom Wirt der Taverne schließlich auf ihre Spur gebracht, fanden niemanden mehr.
Und dann gab es anderes zu tun.
Denn die Hufe der durch das brennende Torhaus reitenden Goten waren plötzlich zu hören. An ihrer Spitze ein Mann in schwarzer Kleidung, wie ein Irrwisch, mit einem Grimm, der allein gespeist wurde vom Gedanken an Rache für das, was seinen Leuten gerade angetan worden war.
Fritigern, der Richter, war in Thessaloniki angekommen.
Und richten wollte er.
35
»Die Goten sind in der Stadt!«
»Verdammt!«
Rheinberg starrte den Zettel an, den ihm der Melder überreicht hatte. Der Lärm des Kampfes trug bis in den Hafen hinein, doch bis eben war sich Rheinberg nicht sicher gewesen, dass etwas schiefgelaufen war. Aber die Meldung zerstreute seine Zweifel. Jetzt war auch keine Zeit, über das Warum und Wie nachzudenken, es galt zu handeln.
Er blickte auf, griff zum Fernglas und musterte den Teil der Stadtmauer, auf dem Becker Position bezogen hatte. Eine Rauchsäule stieg in den trüben Wintertag – von roter Farbe.
»Sind die Kanonen bereit?«, fragte er Langenhagen, der erwartungsvoll neben ihm stand.
»Geladen und ausgerichtet.«
»Geben Sie Feuerlösung eins an die Kanoniere. Gefeuert wird auf mein Kommando.«
»Feuerlösung eins, Herr Kapitän!«
Es dauerte nur wenige Augenblicke, da drehten sich die backbords liegenden 10,5-cm-Schnellladekanonen sowie die an Bug und Heck platzierten 15-cm-Geschütze. Die Mündungen ruckten langsam nach oben, in exakt die Gradstellung, die Rheinbergs Kanoniere zusammen mit Beckers Leuten ausgerechnet hatten.
»Geschütze in Stellung«, meldete Langenhagen erwartungsgemäß.
»Geben Sie die Warnung!«
Das Schiffshorn begann unmittelbar mit einem langen, klagenden Laut. Die Römer waren auf dieses Signal vorbereitet und wussten, was geschehen würde. Geistesgegenwärtige Legionäre würden nun beginnen, gewisse Teile der Stadt im Westen zu meiden. Zivilbevölkerung würde aus den Häusern getrieben werden. Für all das blieben keine 30 Sekunden, aber mehr Zeit konnte Rheinberg nicht zugeben. Andere hätten gar keine Warnung mehr ausgesprochen. Es waren interessanterweise die römischen Offiziere selbst, die sich gegen dieses unnötige Verfahren ausgesprochen hatten. In ihren Augen galten Zivilisten, solange sie nicht von Stande waren, herzlich wenig.
Rheinberg gedachte, hier andere Akzente zu setzen. Er hielt seine Taschenuhr in der Rechten, die Sekunden sorgfältig abzählend. Langenhagen wiederum behielt Beckers Stellung
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