Kaiserkrieger 2: Der Verrat
fiel.
Und starb.
In dem Moment, als Beckers geschundener Körper auf dem Boden vor Thessaloniki zerschmetterte, hatten die römischen Entsatztruppen die Stellung endlich erfolgreich gestürmt.
Als sich Godegisel umwandte, sah er, dass zahlreiche Klingen auf ihn gerichtet waren und seine Kameraden entweder tot oder bereits in Gefangenschaft. Er ließ sein Schwert fallen und ergab sich, wortlos, mit stummer Zufriedenheit in seinen Gesichtszügen. Er ignorierte den schwer blutenden Körper des Flavius Victor, am Boden liegend, ignorierte den entsetzten Blick, mit dem der dunkelhäutige Trierarch und ein zweiter Fremder an die Balustrade eilten und hinabblickten. Er fühlte sich von kräftigen Fäusten vorangetrieben, die Treppe hinunter, in einen Halbkreis hinein. Dort standen die verbliebenen Goten, entwaffnet, und unter ihnen Fritigern, der Richter, der wahrlich Gericht gehalten hatte, und das mehr, als er zu diesem Zeitpunkt ermessen konnte.
Sie hatten verloren, letztlich, und auch ihre Tat der Verzweiflung hatte daran nichts mehr ändern können. Godegisel sah es in Fritigerns Augen und er sah darin auch mehr, so etwas wie eine stille Zuversicht, eine Erleichterung. Wenn die Römer gescheit waren, würden sie nun mit den Goten verhandeln, und der Irrzug der drei Völker durch Griechenland würde ein Ende finden. Dies mochte letztlich ihr Schicksal noch zum Besten wenden.
An eine Fortsetzung des Kampfes war ohnehin nicht zu denken. Mit dem Richter in Gefangenschaft und den Kriegern demoralisiert, würden sie nicht mehr viel ausrichten können. Sie konnten weiterhin ein Ärgernis darstellen, sicher, und das mochte die Römer dazu bewegen, mehr anzubieten, als nur die bedingungslose Kapitulation zu erwarten.
Sie würden nehmen, was sie kriegen konnten.
36
»Es ist entschieden!«
Es war von großer symbolischer Bedeutung, dass diese drei Worte von Lucia, der Ehefrau von Senator Michellus, gesprochen wurden. Es zeigte, wer letztlich im Haushalt des angesehenen Würdenträgers das Sagen hatte. Nicht immer waren die anderen Mitglieder des Haushaltes mit diesen Entscheidungen einverstanden. In diesem speziellen Falle traf das aber nur auf eine Person zu: Die Tochter Julia, die mit geballten Fäusten vor ihren Eltern stand und diese halb erbost, halb verzweifelt anstarrte.
»Mutter … Vater … das kann nicht Euer Ernst sein!«
Während der Blick des Mannes angesichts des klagenden Tonfalls seiner Tochter weich zu werden begann und er mit einer Antwort zögerte, gab es im Gesichtsausdruck seiner Frau keinerlei Anzeichen von Zweifel oder Zögerlichkeit. Sie reckte ihr Kinn vor und warf ihrem Mann einen warnenden und zugleich provozierenden Blick zu, als wolle sie ihn herausfordern, ihr ja nur kontra zu geben, damit sie ihm zeigen konnte, welches Unheil daraufhin über ihn kommen würde.
Senator Michellus, bei Senatsdebatten normalerweise nie um Wortwitz und Schlagfertigkeit verlegen, verstummte, ehe er etwas sagen konnte. Es gab Dinge, die man nicht heraufbeschwor, und vor allem dann nicht, wenn Lucia im Endeffekt die richtige Entscheidung getroffen hatte.
»Es ist entschieden!«, wiederholte die massiv gebaute Frau erneut und ihr Tonfall hatte diesmal etwas Drohendes. Julia vernahm diese Nuance sehr wohl – sie war gestählt in zahllosen Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter –, doch hatte sie einen emotionalen Zustand erreicht, bei dem ihr dies herzlich egal war. Kein Unglück, das eine erboste Mutter ihr bereiten konnte, war größer als das, was ihr gerade eröffnet wurde. Schlimmer konnte es einfach nicht kommen.
»Das werde ich nicht tun! Das kann ich nicht tun!«, begehrte Julia entsprechend auf.
»Das entscheidest du nicht! Dein Vater ist derjenige, der das Sagen hat!« Das klang aus dem Mund Lucias fast schon komisch, aber damit entsprach sie durchaus den formalen Regeln, nach denen Michellus als pater familiae tatsächlich über das Wohl und Wehe aller Familienmitglieder verfügen konnte. Dass er dieses Recht aber nur nach wohlweislicher Absprache mit seiner Frau – oder auch auf direkte Anweisung derselben – ausübte, stand auf einem anderen Blatt. Obgleich sich Julia sehr wohl über die tatsächlichen Machtverhältnisse im Klaren war, konzentrierte sie ihren verzweifelt bittenden Blick auf Michellus, der unbehaglich auf seinem Schemel hin und her rutschte.
»Jammer deinen Vater nicht an!«, herrschte Lucia. »Wir sind deine Eltern und wir wissen ganz genau, was gut für dich
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