Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Römer bitten, die Sauerei aufzuräumen. Keine Selbstvorwürfe, Brockmann. Wenn sich einer etwas vorzuwerfen hat, dann bin ich das. Ich hätte Vorkehrungen treffen sollen. Ruhen Sie sich aus, trinken Sie einen Becher Wein. Wir haben heute gesiegt. Denken Sie daran, dass wir hier unsere Arbeit tun.«
Der Gefreite sah nicht so aus, als hätten die Worte Beckers tatsächlich eine tröstende Wirkung auf ihn. Aber er salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung eines der Feuer, um das sich die Soldaten versammelt hatten. Becker ergänzte seine Merkliste erneut um einen Posten. Er musste sich um die geistige Gesundheit seiner Männer mehr kümmern, als er es bisher getan hatte. Niemand würde in die Verlegenheit kommen, sich aus Angst um Folter selbst zu entleiben – zumindest hoffte der Hauptmann das inständig. Aber die Anspannung würde mehr und mehr Konsequenzen zeitigen. Becker spürte es an sich selbst, vor allem heute. Er musste sich darum kümmern.
Jemand reichte ihm einen Becher Wein. Hastig goss er das dünne Gesöff hinunter.
Er würde ein ernsthaftes Wort mit Oberwachtmeister Behrens wechseln müssen. Es war dringend an der Zeit, eine Destille in Gang zu bringen.
Sehr dringend.
17
Vor allem in der Nacht merkte man, wie sehr Ravenna stank. Es war diese Mischung aus Exkrementen – menschlichen und tierischen – und der generell eher zweifelhaften Hygiene der Stadt, die am Hafen noch vermischt wurde mit dem Gestank frischen oder weniger frischen Fisches. Es gab Momente, in denen sich Vollmatrose Jens Kempner wünschte, direkt neben einem Stahlwerk oder einem Kohlekraftwerk stehen zu dürfen, nur um endlich mal wieder einen Geruch wahrzunehmen, der nicht nur vertraut war, sondern der ihn auch an die Zivilisation erinnerte, wie er sie kannte.
Doch gerade jetzt, in der Nacht, und ohne einen frischen Wind von der Seeseite, stank Ravenna. Eine der wichtigsten Städte des westlichen Reiches roch wie ein Kuhdorf. Kempner hatte seine Probleme, damit zurechtzukommen, und er war heilfroh, dass die Schiffsführung alles dafür tat, die Saarbrücken am Leben zu erhalten, denn der Kleine Kreuzer war alles, woran sich der Vollmatrose noch klammern konnte. Das Schiff, das beruhigende Gefühl von Stahl, die mächtigen Geschütze, die Schornsteine, die Ausdünstungen von Öl und Kohle – all das, was Klempner viele Jahrhunderte hinter sich gelassen hatte, war hier noch einmal vereint. Dass die Gerüche, die der Kreuzer normalerweise ausströmte, jetzt durch die der Stadt überdeckt wurden, hing vor allem damit zusammen, dass man Kohle sparen wollte und die Maschinen stillgelegt hatte. Bis man eine neue Quelle für Brennstoff auftat, mussten sie mit den Vorräten sparsam umgehen, das sah auch Kempner ein. Dennoch, er würde einiges darum geben, wieder den Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen zu sehen.
Es gab auch nicht viel mehr anderes zu tun, als sich diesen und vergleichbaren Gedanken hinzugeben, denn Kempner hatte Nachtwache, dazu noch die Schweinewache, und er hasste es. Man war entweder zu müde oder noch nicht richtig wach und der Blick auf den Kai, wo römische Legionäre mit sichtlich wenig Begeisterung sein Los teilten, sorgte auch nicht dafür, dass Kempners Lebensgeister wach wurden. Er hätte gerne einen Kaffee getrunken, aber auch hier gingen die Vorräte stark zur Neige und das allgemeine Entsetzen darüber, dass die alten Römer dieses wunderbare Getränk gar nicht kannten, war groß gewesen. Kempner hatte schließlich Dr. Neumann mal gefragt, ob man nicht etwas besorgen könnte und den Kaffee ins Römische Reich einführen solle. Neumann hatte ihm daraufhin bedeutet, dass dafür zu diesem Zeitpunkt eine Expedition nach Äthiopien notwendig sei – und es auch prompt auf die lange, lange Liste gesetzt. Der Gedanke ließ Kempner nicht los und er malte sich aus, eine solche Expedition auszurüsten, sobald der Status der Saarbrücken im Reich gesichert war. Er hatte sich auch schon informiert: Über das Äthiopien seiner Zeit gebot heute das Königreich von Aksum, sogar ein christlicher Staat, wenn er es richtig verstanden hatte. Die Römer kannten den Staat und standen in einem losen Kontakt, sodass es nicht unmöglich sein dürfte, dorthin zu reisen. Kempners Plan nahm mit jeder Nachtwache konkretere Formen an. Er wusste, er würde für sein Vorhaben durchaus Unterstützer finden, und wenn er sich ausmalte, welche Erfolge er durch eine Kaffeerösterei haben könnte,
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