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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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ganz bestimmte und sehr eindeutige Antwort gab.
    »Also, wenn man diesem Brief glauben will, war Diebnitz einer seiner Kunden.« Die Polizeipräsidentin zog das kleine Blatt aus dem Umschlag und reichte es Prieß. »Lies dir das hier mal durch und sag mir dann, was du davon hältst. Du kannst das Papier unbesorgt anfassen, die Spurensicherung hat es schon untersucht und nichts Hilfreiches finden können.«
    Er nahm ihr den Brief aus der Hand, ging ihn aufmerksam durch, und mit jeder der maschinengeschriebenen Zeilen wuchs sein Erstaunen:
      
Sie haben immer noch nicht auf mein erstes Schreiben geantwortet. Vielleicht nehmen Sie mich ja nicht ernst und wollen sich das Geld sparen. Ich rate Ihnen, sich das noch einmal gründlich zu überlegen. Sie wollen doch sicher nicht, dass herauskommt, auf welche Weise Sie sich Vergnügen verschaffen? Eine solche Enthüllung würde sicher reichlich Staub aufwirbeln. Sie können das verhindern, es liegt ganz an Ihnen. Dafür sollte Ihnen die bescheidene Summe von 1000 Goldmark, mit der ich mich vorläufig begnügen werde, nicht zu viel sein. Ich erwarte Ihre Antwort bis zum 18. Mai.
      
    Ungläubig las Prieß den Brief ein zweites Mal. Nun hatte er ihn also, den Grund, warum Diebnitz sich erschossen hatte: weil ein mieser kleiner Strichjunge ihn erpresst hatte. Eine simple, bestechend einfache Lösung. Sie hatte nur einen Schönheitsfehler – sie konnte nicht stimmen. Diebnitz hatte mit Sicherheit keinen Selbstmord verübt, die sauberen Schuhsohlen sprachen unwiderlegbar dagegen.
    »Das stinkt ganz gewaltig«, murmelte Prieß. »Korrigier mich, wenn ich was Falsches sage, Alexa. Ich sehe das so: Da wollte jemand nachträglich einen plausiblen Grund konstruieren, warum Diebnitz sich erschossen haben soll. Also wurde mal eben dieser angebliche Unfall inszeniert und der Leiche dieser Brief in die Tasche gestopft, damit man ihn bei dem Toten findet. Schon haben wir einen Oberst, der sich im Bett mit Jungs amüsiert hat und einen Stricher, der sein Schweigen teuer verkaufen wollte. Es sollte so aussehen, als hätte dieser Stölle von Diebnitz’ Tod erfahren und den schon fertigen Erpresserbrief nicht mehr abgeschickt. Alles kristallklar und logisch. Jedenfalls, solange man nicht weiß, dass Diebnitz überhaupt keinen Selbstmord begangen haben kann.«
    Er gab Alexandra den Brief zurück, und sie steckte ihn vorsichtig wieder in den Umschlag. »Ganz genau, Fritz. Wer immer Diebnitz auf dem Gewissen hat, muss absolut skrupellos sein. Unsere Unbekannten schrecken nicht davor zurück, einen Mord durch einen weiteren zu decken. Weißt du, was ich denke? Du hast sie aufgeschreckt.«
    »Aufgeschreckt? Wie meinst du … Herrgott, ja. Das ist möglich, du hast recht. Die haben irgendwie mitbekommen, dass ich Diebnitz’ Tod unter die Lupe nehme. Und dadurch haben sie gemerkt, dass der angebliche Freitod eine Lücke hat, die ihnen Ärger bereiten könnte … also haben sie beschlossen, auf diese Weise ein wasserdichtes Motiv nachzuliefern, wieso sich Diebnitz eine Kugel in den Schädel gejagt haben soll.«
    »Das bedeutet aber noch etwas«, ergänzte Alexandra Dühring. »Eine der Personen, mit denen du in den letzten Tagen geredet hast, gehört zu Diebnitz’ Mördern oder hat Kontakt zu ihnen.«
    Prieß erbleichte und fühlte, wie seine Beine unter dem Gewicht seines Körpers nachgaben. Er zog sich schnell einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, keuchte er. »Scheiße, wie komme ich da jetzt wieder raus? Die rechnen doch damit, dass mir diese Erpressergeschichte zu Ohren kommt, damit ich aufhöre, in der Sache herumzustochern. Aber wenn die merken, dass ich trotzdem weitermache … oh Gott, denen ist es doch völlig egal, ob sie einen mehr umbringen müssen. Ich will nicht als Nächster nebenan in der Leichenhalle liegen!«
    Alexandra nahm sich gleichfalls einen Stuhl, setzte sich zu Friedrich Prieß und versuchte, ihn zu beruhigen. »Wirst du auch nicht. Du musst jetzt aber vorsichtig sein. Denk nach, wem hast du was erzählt? Wer hat sich merkwürdig verhalten? Versuche, dich zu erinnern, Fritz.«
    Er presste die Hände gegen die blasse Stirn. »Nein, nicht jetzt … ich kann nicht … ich muss erst wieder einen klaren Kopf bekommen. Verdammt, worauf habe ich mich nur eingelassen?«
    In seinem Kopf tauchte ein scheußliches Bild auf: Er sah sich irgendwo auf einem einsamen Waldweg liegen, mit einem Loch im Kopf und einer Pistole in der Hand, genau wie

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