Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)
Familie geschehen, wenn die Schausteller einen Schwindler in ihrer Mitte fänden?
Das Karussell in seinem Kopf drehte sich die ganze Nacht. Und dann ging’s weiter zum Spiegelkabinett, wo Jack einen Spiegelgang entlangstolperte und unter den Geistern, die zu beiden Seiten inder Unendlichkeit verschwanden, sein wahres Gesicht suchte. Welches war die Kopie, das Faksimile, die Fälschung?
Gab es ihn überhaupt, den wahren Jack Romaine?
Aber die alten Abwehrmechanismen stellten sich wieder ein. Die alte Stimme, die ihn von New York nach Chicago und nach Cincinnati getrieben hatte, bedrängte ihn wieder: Hör mal, Holzkopf, es ist egal, was für ein Spielchen du treibst. Glaubst du etwa, diese Missgeburten sind ehrlich? Glaubst du, die haben keine Karte im Ärmel?
Die altgewohnte Rationalisierung:
Nur weil du mit ihnen spielst, Jack, heißt das noch lange nicht, dass die nicht auch ihr Spiel mit dir treiben.
An diesen Gedanken klammerte er sich, als er verzweifelt versuchte, Schlaf zu finden. Woher sollte er wissen, dass Luna ihn nicht anlog? Oder Tommy? Vielleicht sie alle … Diese Leute verheimlichten ihm etwas, so viel war klar. Über Alex Goodman und auch über ihre Finanzen. Irgendwas war faul; und wenn Jack seit seiner Ankunft in Kaleidoscope eins gelernt hatte, dann, dass Schausteller einem mit der gleichen Leichtigkeit Lügen auftischten, wie andere sich den Arsch abwischten. Und zwar mit einem Lächeln.
Seine eigenen Sünden mal außer Acht gelassen, konnte all die Großzügigkeit, seit er Jacques und Marcel gerettet hatte, lediglich ein Köder sein, einfach nur Schau? Vielleicht traute auch Luna ihm nicht wirklich, obwohl es nicht den Anschein hatte. Aber vielleicht benutzte sie ihn genauso wie er sie.
Es gab keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Er musste Martin und Mamere beschützen, und das konnte er nur, wenn er Bladehorns Geld fand. Die Zeit wurde knapp. Jack wusste, er konnte sich Bladehorn nicht mit hoffnungsschürenden Telegrammen vom Hals halten. Jack musste dem Gangster sein Geld wiederbeschaffen, auch wenn er dafür Luna, Tommy und die anderen Freaks in die Pfanne hauen musste. Scheiß drauf!
Er konnte doch nichts dran ändern.
Diese Gedanken bereiteten Jack nicht nur eine schlaflose Nacht. Sie verbitterten ihm am nächsten Morgen, als Luna in die Kantinekam, seinen Kaffee. Ihr wogendes Haar fiel über ihren langen, festen Rücken, als sie ihm seinen ersten Lohnscheck überreichte.
»Hier.« Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. Er versuchte, es ihr nachzutun.
»Vier Dollar fünfzig. Danke, Chefin.«
»Nicht alles auf einmal verprassen.« Sie zwinkerte und wandte sich dann an Half Track: »Ich werde fast den ganzen Tag weg sein, Jenny. Giant braucht Holz, um die Kamelkoppel zu reparieren, und das Heu wird knapp. Brauchst du irgendwas?«
»Nein.« Half Track füllte Zucker in ein Glas. »Wir haben genug Vorräte.«
Luna beugte sich hinunter und küsste Jack flüchtig auf den Nacken.
Der Kuss ließ ihn erschauern.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, sicher«, sagte er mit einem Lächeln und sie drückte seine Schulter, ehe sie davonwogte.
Jack sah Luna nach, wie sie das Café verließ und die Straße überquerte. Falls sie ihm was vormachte, tat sie das sehr gut. Jack schlürfte seinen Kaffee. Luna hatte gesagt, sie wäre den ganzen Tag weg, aber Holz und Heu zu besorgen dauerte keinen ganzen Tag. Nicht mal einen halben. Jack war schon öfter mit Tommy Vorräte holen gewesen, und selbst wenn sie Holz, Futter und alles andere besorgt hatten, waren sie immer rechtzeitig zum Mittagessen zurück.
Nahm noch etwas anderes Lunas Zeit in Anspruch?
Hatte sie noch etwas in Tampa zu erledigen?
Jack beschloss, ihr zu folgen. Luna würde natürlich eine Ladung Holz und Heu mit zurückbringen. Wenn nicht, würde das auffallen. Und Jack wusste, dass sie dafür den großen Lastwagen brauchte, den Ford mit den seitlichen Ladeklappen, der Peewees Wagen vom Bahnhof aus gezogen hatte. Der Ford war das einzige für schwere Lasten geeignete Fahrzeug; und den zu verfolgen, war ein Kinderspiel. Aber Jack brauchte auch einen Wagen, wenn er Luna hinterherfahren wollte. Das Modell T … Dürfte keinProblem sein, sich die Blechkiste für einen Ausflug nach Tampa zu borgen.
Jack verließ das Café und fand Tommy an der Viehtränke, die er gerade mit frischem Wasser füllte.
»Ich will meinen Lohn zur Bank bringen«, erklärte Jack. »Ich habe fast siebzig Dollar in bar, einschließlich dem, was ich schon vorher
Weitere Kostenlose Bücher