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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Kopfschüttelnd warf er den zerknüllten Zettel in den Papierkorb.
    Möhringer saß allein in der Bäckerei Grobe. An diesem ersten Aprilsonntag war der Ort wie ausgestorben. Der kleine Kiosk der Trinkhalle gegenüber hatte geöffnet und das Blumengeschäft an der Hauptstraße, sonst bestimmten nur Enten und Krähen das Straßenbild. Er schob den Schreibblock zur Seite. Er hatte ihn vom Fachbereich II/Bürgerdienste geschenkt bekommen. Am Rand war das Holzwickeder Wappen aufgedruckt. Auf dem Hilgenbaum war ein Kaffeefleck zu sehen. Natürlich hatte er die Eiche, an der die Holzwickeder früher Zettel mit Nachrichten anzubringen pflegten, schon in der Erstauflage seines Wanderführers erwähnt.
    Möhringer schaute auf die Straße. Krähen vertrieben zwei Enten von der Trinkhalle. Er hatte das Gefühl, dass jeder seiner Schritte beobachtet wurde. War ihm Brandt auf den Fersen? Er fing langsam an, Gespenster zu sehen.
    Brandt war Popingas neuer Liebling. Er war plötzlich im Verlag aufgetaucht. Eigentlich wollte er Popingas Tochter ausführen, aber dann blieb er da. Brandt war der geborene Verkäufer. Die Werbekunden rannten ihm nach, die Marktanteile stiegen, die Konkurrenz war geschlagen. Eines Tages hatte Popinga zu einem Meeting geladen. «Ich möchte, dass Brandt größere Verantwortung trägt«, sagte er. »Er wird uns verstärkt unter die Arme greifen!«
    Möhringer stutzte. »Wobei soll er uns denn unter die Arme greifen?« Möhringer konnte nicht anders. Redewendungen mit ›Arm‹ und ›Hand‹ lagen ihm stets auf der Zunge. Dabei war Popinga, der Einarmige, sehr geschickt. Er konnte mit einer Hand gleichzeitig eine Kaffeetasse und ein Stück Kuchen festhalten. Popinga verdrehte die Augen.
    »Entschuldige«, sagte Möhringer. »Ich bin wieder albern. Solche Scherze liegen halt auf der Hand .«
    Popinga lachte gequält. »Brandt soll auch Artikel schreiben. Die Wanderführer brauchen mehr Schwung. Brandt ist jung. Der kann das.«
    Möhringer glaubte, nicht richtig gehört zu haben. War er gerade kaltgestellt worden? »Brandt soll deine rechte Hand werden, oder?«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Das durfte nicht sein. »Ich werde weggepustet wie ein Kuchenkrümel.«
    Zum Glück gehörten ihm zwanzig Prozent des Verlages, mit denen er sich damals nach seinem Einstieg als Autor an dem Unternehmen beteiligt hatte. So einfach würde er seinen Platz nicht räumen. Er hatte vorgesorgt, aber nicht nur er.
    Auch die Ratte hatte alles geplant. Brandt ging mit Popingas Tochter aus, um dem Chef nahe zu sein. Es dauerte gar nicht lange, da hielt er um die Hand von Simone Popinga an. Dieser Schleimer. Die Hochzeit sollte im August sein. Möhringer war eingeladen. Brandt wollte den Namen seiner Frau annehmen, dann würde er auch Popinga heißen. Wie praktisch. Die Ratte bereitete die Übernahme vor.
    Sein Chef riss ihn aus allen Gedanken. »Ich schicke den Jungen mit dir nach Holzwickede. Da kann er zeigen, was er drauf hat.«
    Möhringer stand auf und schüttelte den Kopf. Holzwickede gehörte ihm. Aus seinen Kontakten dort waren Freundschaften geworden. Man grüßte ihn auf der Dudenrother Straße. Gerade in diesem Jahr, wo der Holzwickeder SV Jubiläum hatte, wollte er der Gemeinde helfen, sich von der besten Seite zu zeigen. Er war der große Präsentator. Das konnte man ihm nicht nehmen. »Das hat doch weder Hand noch Fuß «, murmelte Möhringer.
    Gleich nach seiner Ankunft in Holzwickede stellte er Brandt zur Rede. Sie trafen sich in der katholischen Pfarrkirche Liebfrauen. Dort, wo laut ihrem Wanderführer beschauliche Momente warteten. Brandt hatte einen Termin mit dem Pfarrer, der eine Anzeige in dem neuen Wanderführer schalten wollte. Möhringer hatte kaum geschlafen und sah aus wie ein Zombie.
    Es roch nach ausgepusteten Kerzen. Auf der Empore spielte jemand Orgel: Bach. Brandt trug eine Fliegermütze, die er unter dem Kinn nicht zugebunden hatte. Er trat so selbstsicher auf, als gehörte der Verlag schon ihm.
    Noch bist du nicht mein Chef, dachte Möhringer. Brandt verzog die Nase, als wäre ihm der Weihrauchgeruch zuwider. Es war kalt in der Kirche, Brandt ging auf und ab, als wäre er in einer Bahnhofshalle. Möhringer überlegte noch, wie er beginnen sollte, als ihn Brandt gleich anfuhr. »Solche Typen wie dich will keiner mehr haben«, sagte er. »Schau dich an. Du bist ein Wrack. Du stinkst.«
    Möhringer blieb die Luft weg. Mit so viel Hass hatte er nicht gerechnet. Er fixierte Brandt in seinem

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