Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
sofort in den Teich stürzten und das hilflose Opfer retteten, verdankt Schmidt sein Leben. Unterdessen gelang es anderen Passanten, Berthold S. zu überwältigen und der Polizei zu übergeben.
Bereitwillig führte der als Gewalttäter bekannte S. die Beamten daraufhin zu der Wohnung, in der er sich in Soest versteckt hatte. Hier machten die Polizisten eine grausige Entdeckung: In der Badewanne lag die Leiche des bereits vor etwa einer Woche durch zahlreiche Messerstiche getöteten Wohnungsbesitzers Henning B. (55). Dringend tatverdächtig auch in diesem Fall: Berthold S. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte Prof. Udo Willschrei, der Leiter der forensischen Klinik in Münster, dass Berthold S., ein hochintelligenter Mann, unter der untherapierbaren Wahnvorstellung leide, der wahre Jäger von Soest zu sein.
In seiner Fantasie sei S. davon überzeugt, aus Soest zu stammen und die Geschichten von der Allerheiligenkirmes mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Tatsächlich sei S. jedoch in Kattenvenne bei Münster geboren und dort auch aufgewachsen. In Fachkreisen, so Professor Willschrei, werde das Phänomen bereits als Morbus Allerheiligenkirmensis bezeichnet.
11.11.
Der 11.11. – das ist, besonders in einem Elferjahr, der perfekte Hochzeitstermin. Oder Geburtstermin für den Nachwuchs. Deshalb sind an dem Schnapszahldatum Standesämter und Kreissäle gut gefüllt. Und natürlich alle Plätze in den Karnevalshochburgen. Denn am 11.11. beginnt im Rheinland die Karnevalssaison mit der Weiberfastnacht, der Machtübernahme der Frauen. Die stürmen die Rathäuser, schneiden den Herren die Krawatten ab und garnieren diesen ganzen Frohsinnsvandalismus mit feuchtfröhlichen ›Bützchen‹. Im Rheinland ist Weiberfastnacht inoffizieller Feiertag, in Westfalen nicht ganz, wie die beiden Polizisten in der Story des geborenen Rheinländers Thomas Hackenberg feststellen.
Thomas Hackenberg
Mutti, der Bus mit dem Koks ist da oder: Pufferküsser auf der Linie R 81 Kreis Unna
Sonntag, 11.11.2012. Kurz vor halb elf in der Nacht.
Auf der Bundesstraße zwischen Rünthe und Bergkamen.
» Aus!«
Kein schöner Anblick. Der Kiefer war auf groteske Weise unter die Nase gerutscht. Der Schädel vom Stirnbein bis über den Scheitel aufgeplatzt wie ein reifer Kürbis, nur dass es kein Fruchtfleisch war, das zwischen den zertrümmerten Knochenplatten hervorquoll. Aus den Ohren rann ein dünner Blutfaden auf den feuchten Asphalt.
»Banko! Aus!« Doch der Retriever zerrte weiter an der Leine, um mit der Schnauze an die noch warme Hirnmasse zu kommen.
»Aus!! Gehst du weg da!« Der Mann war von seinem Fahrrad abgestiegen und zerrte das Tier von dem leblosen Körper weg, während er auf seinem Handy den Notruf wählte.
»Hallo! Hier ist ein Unfall passiert! B 233 kurz vor der Marina! Der Tote … keine Ahnung … der trägt sonne komische Uniform! … Ja, hundert Prozent is der tot! Banko! Aus! … Banko! Gehst du da weg! Nein, das ist mein Hund, der …« Dann knickten dem Mann die Beine weg, das Fahrrad schepperte auf den Boden und Banko ließ von dem Hirn des Toten ab, um seinem Herrchen das Gesicht zu lecken.
Montag, 12.11.2012. Zehn Uhr dreißig am Vormittag.
Polizeipräsidium Dortmund, Markgrafenstraße, Zimmer 204.
»Und was haben wir damit zu tun?« Richard Joon starrte missmutig auf die Fotos in der Ermittlungsakte. »Wenn ich so einen Scheiß schon lese: Tatwaffe ist ein großer stumpfer Gegenstand, 18 m lang, 2,5 m breit … Hallo!? Wenn mir ein MAN A 23 mit achtzig Sachen frontal ins Gesicht fährt, dann ist das keinesfalls ein ›großer stumpfer Gegenstand‹, sondern ein stinknormaler Linienbus. Aber ist deshalb jetzt schon jeder Autounfall ein Mord?!«
»Richard, jetzt krieg dich mal ein!« Michael Milleck schob seinem Kollegen einen Becher Kaffee über den Schreibtisch. »Hör mir erst mal in Ruhe zu!«
»Warum sollte ich dir zuhören, Mike? Ich bin nämlich gar nicht hier! Genau genommen, liege ich noch in Köln bei Martina im Bett und schlafe gemütlich meinen Kater aus! Falls es dir entgangen sein sollte: Ich hätte nämlich heute frei!«
»Ja, sag ihr, es tut mir leid, dass ich so früh angerufen habe. Wie war denn der Start in den Fasching?«
»Fas-te-lo-vend, oder von mir aus auch Karneval, aber auf keinen Fall Fasching! Fasching, das ist … egal … ihr Westfalen werdet das sowieso nie kapieren.«
Milleck verkniff sich ein Grinsen und tippte auf eines der Bilder: »Detlev Woelke war
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