Kalle Blomquist
Einar wagte nicht, es bei sich in seinem Zimmer zu haben. Er mußte es an einer sicheren Stelle verstecken. Und der Keller in der Schloßruine war ein guter Platz, da kam niemals ein Mensch hin.
Die Gedanken brausten durch Kalles Kopf. Er mußte zur Ruine gehen und versuchen, alle die Kostbarkeiten zu finden, bevor Onkel Einar dazu kam, sie von dort wegzuholen! O Gott, er mußte ja auch Onkel Einar und die beiden anderen überwachen, so daß er sie im geeigneten Augenblick verhaften konnte!
Wo sollte er die Zeit für das alles hernehmen? Noch dazu mitten im Krieg der Rosen!
Nein, er konnte ohne Mithelfer die Sache nicht bewältigen.
Nicht einmal Lord Peter Wimsey könnte allein damit fertig werden. Er mußte Anders und Eva-Lotte einweihen und sie um ihre Hilfe bitten. Ganz gewiß taten sie ja niemals etwas anderes, als ihn wegen seiner Detektivtätigkeit zu verhöhnen, aber diesmal war es etwas anderes.
Eine kleine innere Stimme sagte Kalle, daß er in diesem Falle seine Mithelfer bei der Polizei suchen sollte, und er wußte, daß die Stimme recht hatte. Aber wenn er nun zur Polizei ging und alles erzählte – würden sie ihm glauben? Würden sie ihn nicht auslachen, wie es erwachsene Menschen zu tun pflegen? Kalle hatte nur traurige Erfahrungen von früheren Versuchen in der Detektivbranche. Keiner wollte glauben, daß man etwas ausrichten konnte, wenn man erst dreizehn Jahre alt war. Nein, er wollte lieber warten, bis er noch mehr Indizien beisammen hatte.
Kalle legte vorsichtig die Perle in den Schubkasten zurück.
Schau, da hatte er ja auch Onkel Einars Fingerabdruck! Wer weiß, wann er ihm zustatten kommen würde. Er war froh, daß er so vorsorglich gewesen war, sich den zu verschaffen.
»Die Polizei hat noch keine Spur von den Tätern«, hatte in der Zeitung gestanden Na ja, das war ja das übliche! Aber vielleicht war es ihr gelungen, sich einige Fingerabdrücke am Tatort zu sichern! Fingerabdrücke! Wenn ein Einbrecher schon früher mit der Polizei in Konflikt gekommen war, dann befanden sich seine Fingerabdrücke im Polizeiregister, und dann brauchte man sie nur mit denen zu vergleichen, die man am Tatort gefunden hatte, und die Sache war klar! Da konnte man im Handumdrehen sagen: »Diesen Einbruch hat Friedrich mit dem Fuß begangen!« Ja natürlich nur, wenn es Friedrichs Fingerabdrücke waren, die man fand. Aber es konnte auch sein, daß von dem, der den Einbruch verübt hatte, keine Fingerabdrücke im Polizeiregister waren, und dann machte die Sache schon weniger Spaß.
Aber hier saß nun Kalle mit dem Abdruck von Onkel Einars Daumen auf einem Stück Papier, einem sehr deutlichen und guten Abdruck. Und langsam entwickelte sich ein Gedanke in ihm.
Man könnte ja der armen Polizei etwas auf die Sprünge helfen, da sie »jede Spur der Täter vermißte«. Wenn es sich nun wirklich um den Einbruch in der Banérstraße handelte, an dem Onkel Einar mit beteiligt war – seiner Sache absolut sicher war Kalle natürlich nicht, aber die Indizien wiesen darauf hin –, dann würde die Stockholmer Polizei vielleicht gern das kleine Stück Papier mit Onkel Einars Daumenabdruck haben wollen.
Kalle holte Papier und Federhalter hervor. Und dann schrieb er: »An die Kriminalpolizei Stockholm.«
Er kaute eine Weile am Federhalter. Jetzt kam es darauf an, so zu schreiben, daß sie glaubten, es sei ein Erwachsener, der den Brief geschrieben hatte. Sonst warfen sie wahrscheinlich den Brief in den Papierkorb, die Dummköpfe! Kalle schrieb weiter:
»Wie aus den Zeitungen hervorgeht, scheint ein Einbruch dort in der Banérstraße gewesen zu sein. Nachdem Sie sich vielleicht ein paar Fingerabdrücke gesichert haben, schicke ich hiermit einen dito in der Hoffnung, daß er mit einem von Ihren übereinstimmt. Weitere Aufklärungen liefert gratis und franko
Karl Blomquist, Privatdetektiv
Adr.: Hauptstraße 14, Kleinköping.«
Er zögerte etwas, bevor er »Privatdetektiv« hinschrieb. Aber dann dachte er, daß die Stockholmer Polizei ihn ja niemals zu sehen bekommen würde, und da konnte sie ebensogut glauben, daß der Brief von Herrn Blomquist, Privatdetektiv, geschrieben worden war und nicht von Kalle, dreizehn Jahre alt.
»So«, sagte Kalle und klebte den Briefumschlag zu.
Und jetzt schnell zu Anders und Eva-Lotte.
ELFTES KAPITEL
Anders und Eva-Lotte saßen auf dem Dachboden der Bäckerei, dem Hauptquartier der Weißen Rose. Das war ein wunderbar gemütlicher Aufenthaltsort. Außer als Hauptquartier diente die
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