Kalle Blomquist
genug war. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und fuhr fort: »Sie verstehen: Diese beiden Herren hier, Krok und Redig – ja, ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß das natürlich nicht ihre richtigen Namen sind –, also diese beiden feinen Burschen werden Onkel Einar, hm, Einar Lindeberg oder Brane, wie er sich auch mitunter nennt, ordentlich den Kopf heiß machen. Offen gesagt – sein Leben ist in Gefahr!«
»Und welchen Standpunkt werden Sie, Herr Blomquist, in diesem Streit einnehmen?« fragte der Zuhörer achtungsvoll.
»Den Standpunkt der menschlichen Gesellschaft, junger Mann! Wie immer! Selbst wenn es um mein Leben gehen sollte!« Der Meisterdetektiv lächelte wehmütig. Im Interesse der menschlichen Gesellschaft hatte er sich schon tausend Toden ausgesetzt, so daß einmal mehr oder weniger keine Rolle spielte.
Seine Gedanken gingen weiter.
»Aber ich möchte zu gern wissen, was es ist, was sie von Onkel Einar haben wollen«, sagte er zu sich selbst. Und jetzt war er nicht mehr Herr Blomquist, sondern nur Kalle, ein sehr verwirrter kleiner Kalle, der fand, daß das alles ganz unheimlich war.
Da fiel ihm plötzlich die Zeitung ein! Diese Zeitung, die Onkel Einar gleich nach seiner Ankunft gekauft hatte, als sie im Garten der Konditorei saßen! Sie lag in sicherem Verwahr in Kalles linker Schreibtischschublade. Aber Kalle hatte sie damals nicht näher studiert. »Ein unverzeihlicher Fehler«, wies er sich selbst zurecht und sprang auf. Er erinnerte sich, daß Onkel Einar sich über die Seite mit den »Letzten Neuigkeiten« gestürzt hatte. Jetzt kam es nur darauf an, herauszukriegen, was es war, was ihn speziell interessiert hatte.
»Neuer Atombombenversuch« – kaum! »Roher Überfall auf einen alten Mann« – kann es vielleicht das sein? Nein, hier stand ja, daß es zwei junge zwanzigjährige Männer gewesen waren, die einen älteren Herrn überfallen hatten, da er ihnen keine Zigaretten geben wollte. Da konnte Onkel Einar doch nicht gut mit dabeigewesen sein. »Großer Juwelendiebstahl auf Östermalm« – Kalle stieß einen Pfiff aus und las in rasender Eile die Notiz durch.
»Ein großer Juwelendiebstahl fand in der Nacht zum Sonnabend in einer Wohnung in der Banérstraße statt. Die Wohnung, die von einem bekannten Stockholmer Bankier bewohnt wird, stand während der Nacht leer, weshalb die Diebe ganz ungestört operieren konnten. Es wird vermutet, daß sie sich Zutritt verschafft haben, indem sie mit einem Dietrich die Küchentür öffneten. Die Juwelen, die einen Wert von ungefähr hunderttausend Kronen repräsentieren, waren in einem Geldschrank verwahrt, der im Laufe der Nacht, wahrscheinlich zwischen zwei und vier Uhr, aus der Wohnung entfernt wurde. Er wurde am Sonnabendnachmittag in einem Wald, dreißig Kilometer nördlich der Stadt, gesprengt und seines Inhaltes beraubt, wiedergefunden.
Die Einbruchskommission der Kriminalpolizei, die am Sonn-abendmorgen alarmiert wurde, hat noch keine Spur von den Tätern. Man nimmt an, daß mindestens zwei oder noch mehr Personen an dem Coup beteiligt sind, den man als einen der frechsten Diebstähle bezeichnet, die bis jetzt in unserem Land verübt worden sind. Die Kriminalpolizei hat alle Polizeistationen im Lande benachrichtigt, und an allen Häfen und Grenz-
übergängen ist Extrabewachung angeordnet worden, da man vermutet, daß die Täter, um das gestohlene Gut veräußern zu können, genötigt sein werden, sich ins Ausland zu begeben. Unter den gestohlenen Gegenständen befindet sich ein außerordentlich kostbares Platinarmband mit Brillanten, eine große Anzahl Brillantringe, eine Brosche, bestehend aus vier großen Diamanten in Goldeinfassung, ein Perlenkollier aus orientali-schen Perlen und ein schwerer antiker Hängeschmuck aus Gold mit Smaragden.«
»Ich Rindvieh, ich großes, siebenfaches Rindvieh«, sagte Kalle. »Daß ich das nicht begriffen habe! Lord Peter Wimsey und Hercule Poirot hätten das schon längst herausgehabt! Das braucht man weiß Gott ja nur mit Verstand zu lesen!« Er nahm die Perle in die Hand. Wie konnte man wissen, ob eine Perle orientalisch war?
Ein Gedanke schlug plötzlich wie ein Keulenschlag in seinem Kopf ein. »Ich trage es nicht mit mir herum«, hatte Onkel Einar gesagt. Nein, natürlich nicht! Und er, Kalle Blomquist, wußte, wo das alles war, das Armband und die Brillanten und Smaragden und das Platin und wie es sonst noch hieß. In der Schloßruine natürlich! Natürlich in der Schloßruine! Onkel
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